Teufelsengel
schwarzen Wollhandschuhen versteckt, die Füße in derben, halbhohen Stiefeln. Augustinerinnen, ihren schwarzen, bis zu den Knöcheln reichenden Gewändern und den schwarzen Schleiern nach zu schließen. Genau die Sorte Nonne, die Romy während der Schulzeit das Leben schwer gemacht hatte.
Beide waren mittleren Alters. Beide schauten Romy ins Gesicht. Was erwarteten sie? Ein Lächeln?
Werdet ihr von mir nicht kriegen, dachte Romy.
Sie wusste, dass ihr Verhalten absurd war. Nur weil sie unter den Ordensfrauen an ihrer Schule gelitten hatte, durfte sie nicht jede Schwester, die ihr hier draußen begegnete, verteufeln.
Eine Nonne verteufeln, dachte sie. Auch nicht schlecht. Sie hob den Kopf und erwiderte den Blick der Frauen fest. Sie hatte die Schule hinter sich. Sie würde sich nicht mehr einschüchtern lassen.
Und dann war der Moment vorbei. Erst als sie sich dabei ertappte, wie sie tief Luft holte, merkte Romy, dass diese Begegnung ihr mehr abverlangt hatte, als sie sich eingestehen mochte. Etwas von ihr steckte noch immer in ihrer Internatszeit fest.
Auf einmal hatte sie beinah schmerzhaft Sehnsucht nach Cal. Nach seinen großen, warmen Händen. Seinem Lächeln. Und der Sicherheit, dass er Teil ihres neuen Lebens war.
Klein und verloren kam sie die Treppe heraufgestapft. Die Arme vor dem Bauch verschränkt, als wolle sie so die Kälte abwehren. Ihr halbes Gesicht war unter Mütze und Schal verborgen. Auf den ersten Blick sah sie aus wie ein Kind.
Calypso breitete die Arme aus und zog Romy an sich.
»Hast du meine Nachricht abgehört?«, fragte sie an seiner Schulter.
Er nickte.
»Und wo hattest du das Handy diesmal vergessen?«
»Im Bad«, antwortete er zerknirscht. »Ich war duschen und hab meine Klamotten draufgeworfen. Deshalb habe ich es auch nicht gehört.«
Er ließ sein Handy ständig irgendwo liegen und hatte dann Mühe, es wiederzufinden. Und das war ihm, wenn er ehrlich war, völlig egal. Es war ihm nur anderen gegenüber manchmal peinlich.
»Du bist ein Schussel«, sagte Romy zärtlich und vergrub die rotgefrorene Nase in seinem Haar.
Erst letzte Woche hatte der Filialleiter Calypso noch einmal eindringlich ermahnt, sich endlich die Haare kürzer schneiden zu lassen.
Unsere Kunden wollen Vertrauen zu unseren Angestellten haben.
Seit wann, hatte Calypso sich gefragt, endete das Vertrauen eines Menschen drei Zentimeter über dem Ohrläppchen seines Gegenübers?
Er hatte zuvor nie über sein Haar nachgedacht. Irgendwie mochte er es so, wie es war. Es hatte die Farbe von feuchtem Sand, war etwa kinnlang und leicht gelockt. Calypso schnitt es selbst. Bisher hatte er noch keinen Frisörsalon von innen gesehen und er dachte auch nicht daran, das zu ändern.
Er nahm Romy bei der Hand und zog sie in die Küche, wo es duftete wie bei Riccardo, der ein kleines italienisches Lokal um die Ecke hatte, in dem Tonja manchmal jobbte, wenn ihr Geld zur Neige ging.
»Hmm.« Romy schnupperte.
Sie liebte Spaghetti mit Schafskäse und Rucola, und weil Calypso schon geahnt hatte, dass sie nach der Arbeit vorbeikommen würde, hatte er beschlossen, ihr eine Freude zu bereiten und alles Notwendige dafür eingekauft.
Zehn Minuten später saßen sie am Küchentisch. Tonja, die für die Uni an einem Referat über die Dreigroschenoper schrieb und kaum noch einen anderen Gedanken im Kopf hatte. Helen, die eine Tragetasche voller reduzierter Klamotten und Tücher aus dem Esoterikladen mitgebracht hatte, in dem sie als Verkäuferin arbeitete, und die beim Essen ein Teil nach dem andern hervorzog und begutachtete. Romy, die jeden Bissen sichtlich genoss. Und Calypso, der sich im Stillen überlegte, welches der beste Moment war, um die Bombe in der Bank hochgehen zu lassen.
Nach einer Weile, in der man nur das Geklapper der Gabeln auf den Tellern gehört hatte, redeten sie plötzlich alle auf einmal los.
Sie lachten und der Bann war gebrochen.
Draußen tanzten vereinzelte Schneeflocken vor den schwarzen Fensterscheiben. Calypso sah ihnen dabei zu. Und dann erstarrten für einen Moment die Wahrnehmungen in seinem Kopf, und es war, als würde sich dieser eine Augenblick für immer in sein Gehirn einbrennen.
Die Küche. Das Licht der Lampe. Die Mädchen.
Ihre Stimmen.
Das Gefühl von Behaglichkeit.
Dann war der Augenblick vorüber.
Ein fast vergessenes Gefühl regte sich in Calypso.
Angst.
Unbestimmt, aber deshalb nicht weniger verstörend.
Er lachte ein wenig zu laut und trank sein Glas in einem
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