Teufelsengel
drängte.
Romy blieb stehen.
Warum war Bruder Arno am Mittwoch eigentlich genau an der Stelle gewesen, an der das Mädchen ermordet worden war?
Sie blickte auf die fernen Türme des Doms. Irgendwo da unten war das Alibi. Irgendwo da unten befand sich Cal und hatte keine Ahnung von ihrem seltsamen Spaziergang und seinen Hintergründen.
Irgendwo da unten war Cal.
Der ihr vertraute.
Und dem sie Bruder Arno verschwieg.
Genauso, wie auch Alice ein Geheimnis aus ihrem Liebsten gemacht hatte.
Sie sind unserer Alice sehr ähnlich.
Es gab tatsächlich etwas, das Romy mit Alice verband:
Ein Geheimnis.
Und Mona? Thomas?
Auch sie hatten ein Geheimnis gehütet.
Romy fühlte sich mies. Sie fühlte sich schuldig. Und in ihrem Inneren begann sich ein Gefühl des Unbehagens auszubreiten. Sie wollte nicht länger hier sein. Sie wollte zurück.
Sie steigerte sich da in etwas hinein.
Und das Mädchen war bestimmt doch nicht Pia gewesen.
Sie hatte Pia ein einziges Mal in ihrem Leben gesehen. So genau hatte sie sich dabei ihr Äußeres nicht einprägen können. Außerdem war sie bei ihrem ersten Besuch hier noch nicht richtig gesund gewesen. Da konnte sie sich doch leicht eingebildet haben, Pia zu erkennen.
Und ihre innere Stimme?
Die konnte sich auch mal irren.
Nachdem sie sich zugestanden hatte, dass sie einer Sinnestäuschung aufgesessen war, fühlte Romy sich enorm erleichtert. Sie warf einen letzten Blick auf die Silhouette von Köln und trat von der Grasfläche auf den Weg zurück.
Ihre Schritte waren leichter jetzt, fast beschwingt, und den rot leuchtenden Stoffzipfel, der sich in der schütteren Ligusterhecke verfangen hatte, hätte sie beinahe übersehen. Erst als sie davor in die Hocke ging und vorsichtig daran zog, erkannte sie, was es war.
Das rote Dreieckstuch war mit weißen Sternen gesprenkelt.
Pias kleiner Hund hatte ein solches Tuch getragen.
Sie schlich auf dem Gelände herum! Diese junge Journalistin, die Bruder Arno unvorsichtigerweise angeschleppt hatte. Und der große Künstler war natürlich wieder mal unterwegs, um Fotos zu machen, statt sich darum zu kümmern, seinen Fehler zu korrigieren.
Vero war außer sich. Wieso hatte niemand das Mädchen gestoppt?
Fassunglos beobachtete er, wie sie in der Cafeteria verschwand und kurz darauf mit Bruder Matteo wieder herauskam.
Matteo! Dieser alte Narr!
Eben noch hatte Vero vorgehabt, die Sache selbst in die Hand zu nehmen, doch Bruder Matteo war schneller gewesen. Er brachte die Kleine zum Ausgang und winkte ihr nach. Kurz darauf hörte Vero den Motor eines Autos brummen.
Wütend stürmte er auf den Hof.
»Was hat sie gewollt?«
Bruder Matteo starrte ihn verblüfft an.
»Wer? Das Mädchen?«
»Ist sonst noch jemand hier?«
Vero musste sich zusammenreißen, um den alten Mann nicht anzuschreien.
»Sie wollte zu Bruder Arno. Doch der ist nicht da.«
»Ich weiß. Hat sie verraten, warum sie ihn sehen wollte?«
»Nein. Danach habe ich sie nicht gefragt.«
Bruder Matteo blickte unschlüssig zum Tor.
Durch das, wenn es offen und die Pforte unbesetzt war, jeder x-Beliebige fröhlich hereinspazieren konnte, um seine Nase in fremde Angelegenheiten zu stecken.
Vero hatte Mühe, sich zu beherrschen. Wo trieb sich eigentlich Bruder Calvin herum? War die Sicherheit des Klosters nicht wichtiger als ein tropfender Wasserhahn?
»Das Mädchen ist von der Presse! Und keiner hält sie auf!«
»Sie wollte auf Bruder Arno warten und hat sich die Füße ein wenig im Park vertreten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie Hintergedanken hatte.«
Diese Unbekümmertheit war schon fahrlässig. Vero überlegte sich gerade eine passende Erwiderung, als ihm einfiel, dass Bruder Matteo ja noch nichts von der Sache mit Pia wusste. Vero hatte diesmal nicht alle Mitbrüder eingeweiht. Sie hatten noch an Sallys Tod zu knabbern. Manche hätten Bedenken gehabt.
»Zukünftig bleibt das Tor geschlossen, wenn die Pforte nicht besetzt ist.«
»Und wenn jemand in der Kirche beten möchte?«
»Wir können den Nebeneingang öffnen.«
»Aber man betritt das Haus Gottes doch nicht durch eine Seitentür!«
Bruder Matteo war wirklich ein schwieriger Fall. Zu jedem Thema musste er seinen Senf geben. Keine Entscheidung konnte er widerspruchslos hinnehmen. Genau wie Bruder Arno.
»Warum nicht? Haben wir uns nicht zusammengetan, um dem falschen Pomp abzuschwören und zur Quelle unseres Glaubens zurückzukehren? Brauchen wir prächtige Portale, um das Gespräch mit Gott
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