Teufelsflut
das unzählige Stockwerke hoch in den Nachthimmel ragte. Sie befand sich offenbar in New York.
»Hier kommt die erste Frage«, rief der Affe von oben. »Wie heißt dein Boss?«
»Jackson.«
Es war der erstbeste Name, der Paula einfiel. Der Affe, dessen raue Hände Paulas Beine knapp unterhalb der Knie gepackt hatten, lockerte seinen Griff und Heß sie ganz langsam nach un ten gleiten. Das war’s, dachte Paula, während sie hinab in den Abgrund starrte.
»Letzte Chance, bevor ich loslasse.«
»Tweed«, rief Paula.
Knapp oberhalb ihrer Knöchel packten die Hände wieder zu. Paula verdrehte den Hals und blickte nach oben. Der Affe hatte den Kopf nach hinten gewandt und gab ihre Antwort offenbar an den Mann im Zimmer weiter. Paula hing jetzt ein Stockwerk tiefer direkt vor dem Fenster.
Hinter der Scheibe brannte kein Licht. Sie holte mit ihren zusammengebundenen Armen Schwung und zerschlug mit beiden Fäusten das Glas. Der Affe konnte nicht sehen, was sie tat. Im Fensterrahmen war eine Glasscherbe stecken geblieben, die Paula vorsichtig mit ihrer rechten Hand herauslöste und in ihrer Faust verbarg.
»Warum ist Tweed nach Dartmoor gekommen? Nach Appledore?«
»Er hat eine Botschaft erhalten.«
»Von wem?«, raunzte der Affe. »Und lass dir nicht so viel Zeit mit den Antworten.«
»Von Dr. Goslar.«
In Paulas Kopf begann sich alles zu drehen. Kam das von der Narkose oder war es die Angst davor, hinunter aufs Pflaster zu stürzen? Es war ein entsetzlich langer Fall, und beim Aufprall würde sie zu Mus zerquetscht werden.
Denk nicht dran!
»Was hält Tweed von der Geschichte in Appledore? Was hat er dort gesehen?«
»Einen toten Fischer, der an den Strand gespült wurde. Zusammen mit vielen toten Fischen.«
»Dumme Kuh! Ich will wissen, was er davon hält.«
»Er glaubt, dass Gift im Wasser war. Was er davon hält, weiß ich nicht.«
Kopfüber nach unten zu hängen hatte den Vorteil, dass der Kopf gut durchblutet wurde und Paula dadurch wieder klarer denken konnte. Sie brachte die Hände zusammen und rückte die Glasscherbe in der rechten Faust so zurecht, dass sie sie besser halten konnte.
»Glaubt Tweed, dass Dr. Goslar etwas mit dem zu tun hat, was er in Appledore gesehen hat?«
»Er hat davon gesprochen. Aber nur einmal. Er war ziemlich durcheinander. Wir haben alle nicht richtig verstanden, was dort geschehen ist. Schließlich war es dunkel…«
Paula verstummte. Tief unter sich sah sie einen Streifenwagen der Polizei, der langsam um die Ecke bog. Einen Augenblick lang dachte Paula daran zu schreien, aber sie tat es nicht, weil der Affe sie dann vielleicht sofort losgelassen hätte. Von oben hörte sie, wie er dem dünnen Mann im Zimmer etwas zurief.
»Die Polizei ist da…«
Paula hörte nicht, was der andere Mann sagte, aber sie spürte, dass sich die Hände des Affen jetzt noch fester um ihre Knöchel schlossen. Dann wurde sie rasch nach oben gezogen. Ihre Windjacke schützte zwar ihren Oberkörper, aber ihre halb nackten Beine wurden von der rauen Wand stark aufgeschürft. Nachdem der Affe sie ins Zimmer gezogen und sie sich wieder über die Schulter geworfen hatte, atmete sie tief durch. Dabei erhaschte sie einen kurzen Blick auf Goslar, der sich vom Fenster abgewandt hatte. Er hielt eine automatische Pistole in der rechten Hand.
Keine Chance also, dem Affen mit der Glasscherbe die Kehle durchzuschneiden. Selbst wenn es ihr gelang, würde Goslar sie auf der Stelle erschießen.
»Was machen wir jetzt mit ihr?«, schnarrte der Affe.
»Wirf sie wieder auf die Bahre.«
»Wir könnten sie erschießen…«
»Hast du einen Schalldämpfer?«
»Nein…«
»Die Polizei würde den Schuss hören. Also tu, was ich gesagt habe. Wir müssen so schnell wie möglich von hier verschwinden.«
Der Affe Heß Paula unsanft auf die Rollbahre plumpsen und rannte zurück zum Fenster. Er blickte hinaus und ging dann mit für einen so großen Mann erstaunlich raschen Schritten auf Dr. Goslar zu, der schon an der Tür war.
»Was ist los?«, zischte Goslar.
»Es war wohl nur eine routinemäßige Streife«, sagte der Affe. »Der Polizeiwagen ist gerade um das andere Haus herum verschwunden.«
»Das ist womöglich nur ein Trick. Vielleicht haben die Polizisten dich gesehen, wie du die Frau wieder ins Fenster gezogen hast, und kommen jetzt zurück. Also Beeilung! Wir verschwinden.«
Während des kurzen Wortwechsels hatte Paula Gelegenheit, durch die halb offene Tür zu blicken. Sie erkannte einen schwach
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