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Teufelsgrinsen: Ein Fall für Anna Kronberg (German Edition)

Teufelsgrinsen: Ein Fall für Anna Kronberg (German Edition)

Titel: Teufelsgrinsen: Ein Fall für Anna Kronberg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annelie Wendeberg
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den Nacken legen. Der Mann, der gesprochen hatte, war um einiges größer als ich. Sein Gesichtsausdruck wirkte scharfsinnig und entschieden. Der höhnischen Bemerkung über Gibson nach zu urteilen, schien er sich selbst für überlegen zu halten und selbstbewusst bis an die Grenze der Arroganz zu sein. Kleidung und Auftreten deuteten auf einen Menschen hin, der eine verwöhnte Kindheit der englischen Oberklasse genossen hatte.
    Hellgraue Augen durchbohrten mich für einen kurzen Moment, dann verblasste seine Neugier. Anscheinend hatte sich nichts Interessantes offenbart. Ich war erleichtert. Einen Augenblick lang hatte ich befürchtet, er würdemich durchschauen. Doch wie üblich war ich von Blindheit umgeben.
    Der scharfe Kontrast zwischen den beiden Männern war fast lachhaft. Gibsons Gesicht mangelte es an Muskeln, und seine Unterlippe schien eher den Zweck einer Regenrinne zu haben. Fast ununterbrochen bewegte er malmend den Kiefer, fummelte und kaute an den Nägeln herum, und auf seinem roten Schädel glänzte der Schweiß.
    »Mr Holmes, dies ist Dr. Anton Kronberg, Bakteriologe im Guy’s«, sagte Gibson. Ich streckte meine Hand aus, die ergriffen, fest geschüttelt und dann sofort wieder fallen gelassen wurde, als wäre sie verseucht. »Dr. Kronberg, das hier ist Mr Sherlock Holmes«, fuhr der Inspektor fort, als ob ich wissen müsste, wer Sherlock Holmes sei.
    »Ist das Opfer nun in den Kanal geworfen worden, Mr Holmes?«, wollte Gibson wissen.
    »Unwahrscheinlich«, antwortete dieser.
    »Woran erkennen Sie das?«, fragte ich.
    »Es gibt an keinem der beiden Kanalufer dafür irgendwelche Anzeichen …«
    Holmes verstummte, und ich machte mir im Kopf eine Notiz, die Strömung der Themse zu untersuchen, um sicherzustellen, dass die Leiche tatsächlich ohne Hilfe in den Kanal getrieben sein konnte.
    Holmes hatte begonnen, mich mit kritischem Blick zu mustern. Seine Augen glitten über meine feingliedrigen Hände zu den schmalen Füßen, dann über meine schlanke Figur und das nicht sehr maskuline Gesicht. Zuletzt blieben sie einige Sekunden auf meiner flachen Brust hängen. Noch ein kurzer Blick auf den hohen Kragen, der den nicht vorhandenen Adamsapfel versteckte. Plötzlich leuchteten seine Augen auf. Ein kurzes Lächelnhuschte über sein Gesicht, während er fast unmerklich nickte.
    Mit einem Mal fühlte sich meine Kleidung zu eng an, meine Hände zu feucht, mein Nacken schmerzhaft angespannt und der Rest meines Körpers zu heiß. Überall juckte es mich, und ich musste meine Lungen überreden weiterzuatmen. Dieser Mann hatte mein bestgehütetes Geheimnis binnen Minuten aufgedeckt, während andere sich seit Jahren an der Nase herumführen ließen. Umringt von einem Haufen Polizisten schien mein Schicksal besiegelt. Ich würde meinen Beruf und den Doktortitel verlieren, um einige Jahre im Gefängnis zu verbringen. Wenn ich dann endlich freikäme, was würde ich tun? Zierdeckchen sticken?
    Ich schob mich hastig zwischen den beiden Männern hindurch, Richtung Themse. Hauptsache weg, bevor ich eine Dummheit beging. Um Holmes würde ich mich kümmern, wenn wir allein waren. Die Vorstellung, ihn in die Themse zu werfen, war verlockend, aber ich schob diesen idiotischen Gedanken beiseite. Es stand Wichtigeres auf der Tagesordnung.
    Als Erstes musste ich wissen, wie die Leiche überhaupt in den Kanal gelangt sein konnte. Das Gras war intakt; keine Halme waren geknickt, bis auf die, auf die Holmes getreten war. Ich sah mich auf dem Boden um. Holmes beobachtete jede meiner Bewegungen.
    Die einzigen erkennbaren Fußspuren stammten von Holmes. Ich hob ein paar morsche Äste auf, brach sie in etwa armlange Stücke und warf sie in die Themse. Die meisten von ihnen gelangten in den Kanal und drifteten in meine Richtung. Direkt vor der Mündung erzeugte eine Sandbank einige Strudel, wodurch die Stöcke zu mir getrieben wurden, anstatt von der viel größeren Kraft derThemse flussabwärts gespült zu werden. Einiges sprach dafür, dass allein die Bewegung des Wassers die Leiche in den Kanal transportiert hatte.
    »Sieht aus, als hätten Sie Recht, Mr Holmes«, bemerkte ich, während ich an ihm vorbeilief. Er wirkte überhaupt nicht mehr gelangweilt. Als ich hinüber zu dem Toten ging, fühlte sich mein Magen an, als hätte ich einen Ziegelstein verschluckt.
    Ich entnahm meiner Arzttasche ein Paar Gummihandschuhe und streifte sie über. Holmes ging neben mir in die Hocke, für meine Begriffe viel zu dicht an der

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