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Teufelsgrinsen: Ein Fall für Anna Kronberg (German Edition)

Teufelsgrinsen: Ein Fall für Anna Kronberg (German Edition)

Titel: Teufelsgrinsen: Ein Fall für Anna Kronberg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annelie Wendeberg
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Arzttasche. Etwas verdutzt ließ er mich gewähren.
    »Sie halten die Augen offen, das ist mir direkt aufgefallen. Können Sie mir sagen, wer den Mann außer Ihnen noch angefasst hat?«
    Mit gereckten Schultern und gesträubtem Bart antwortete er: »Sämtliche Polizisten und dieser andereMann dort drüben.« Sein pelziges Kinn deutete hinüber zum Kanal.
    Überrascht drehte ich mich um und machte den Mann aus, den Hathorne meinte. Er war ungewöhnlich groß und schlank, und für einen Moment schien es, der Wind wiege ihn sanft hin und her wie das Schilf, das ihn umgab. Er setzte seinen Weg den Fluss hinauf fort und verschwand kurz darauf im Dickicht.
    Gibson näherte sich, Hände in den Hosentaschen, das Gesicht wie zur Faust geballt. »Dr. Kronberg, na endlich!«, blaffte er.
    »Ich kann schließlich nicht fliegen«, gab ich zurück und wandte mich wieder dem Ingenieur zu. »Mr Hathorne, haben Sie die Pumpen abgestellt?«
    »Natürlich, aber wer weiß, wie lange der tote Kerl schon im Wasser trieb.«
    »Ist es möglich, die Fließrichtung des Wassers umzukehren und es aus dem Kanal zurück in die Themse zu spülen?«
    Er überlegte, zupfte an seinem Backenbart und nickte dann.
    »Könnten Sie den gesamten Inhalt des Kanals dreimal austauschen?«
    »Sicherlich; es sollte auch gar nicht so lange dauern.«
    »Sehr gut, Mr Hathorne. Danke für Ihre Hilfe. Inspektor Gibson, ich will jetzt den Leichnam untersuchen. Wenn ich bitten dürfte?«
    Gibson winkte mir, ihm zu folgen, und führte mich einen Pfad hinauf.
    »Ich werfe einen kurzen Blick auf den Mann«, sagte ich. »Wenn es sich tatsächlich um ein Choleraopfer handelt, müssen Sie mir alle Männer bringen, die den Toten berührt haben.«

    Nach einem Augenblick des Nachdenkens fügte ich hinzu: »Vergessen Sie, was ich gesagt habe. Ich will die Hände von jedem einzelnen Mann desinfizieren, der heute das Wasserwerk betreten hat.«
    Mir war klar, dass Gibson in meiner Anwesenheit nicht besonders gesprächig war. Er mochte weder mich noch meine barschen Antworten. Aber auch ich hatte Probleme mit ihm. Nachdem ich einige Male mit ihm zu tun gehabt hatte, war bald offensichtlich geworden, dass er ein Lügner war. Er gab vor, hart zu arbeiten, clever und verlässlich zu sein, obwohl seine Mitarbeiter die meiste Arbeit erledigten. Nichtsdestotrotz war er immer noch Inspektor bei Scotland Yard; und mit Sicherheit der Sohn von jemandem mit viel Einfluss. Sonst war es schwer vorstellbar, dass ein solcher Mann diese Anstellung bekommen hätte.
    Wir folgten dem schmalen Pfad entlang des Kanals, der den Fluss mit dem Reservoir verband. Ich rätselte über den Zweck – warum speicherte man Wasser, wenn jeden Tag riesige Massen vorbeiflossen? Aber ich war kein Ingenieur und ließ den Gedanken wieder fallen.
    Das Gras war hoch. Wenn ich vom Pfad abwich – und die Versuchung war groß – würde es mich am Kinn kitzeln. Große Libellen brummten an mir vorbei, eine kollidierte fast mit meiner Stirn. Sie schienen Menschen hier nicht gewohnt zu sein. Das chaotische Konzert der Wasservögel klang vom Reservoir herüber. Das nervöse Kreischen der Wasserläufer mischte sich mit dem Trompeten der Schwäne und den melodischen Rufen eines Kranichpaares und weckte Erinnerungen an mein früheres Leben, das viele Jahre zurücklag.
    Die angenehmen Gedanken wurden augenblicklich weggewischt, als mir die Duftwolke ekelhaft süßer Verwesung in die Nase stieg. Auch die Fliegen hatten es bemerkt, und wir alle näherten uns einem Kleiderhaufen, aus dem das bläuliche Gesicht eines Mannes hervorlugte. Schon der erste Blick sagte mir, dass die Leiche eine längere Zeit im Wasser getrieben hatte. Fische hatten das hervorstehende weiche Fleisch abgeknabbert – Fingerspitzen, Lippen, Nase und Augenlider.
    Der Wind drehte und trieb mir den Gestank direkt ins Gesicht. Er kroch mir in die Nase und heftete sich an meinem Körper, der Kleidung und den Haaren fest.
    »Es sind drei Polizisten anwesend. Warum?«, fragte ich Gibson. »Und wer ist der große Mann, der eben Richtung Themse verschwunden ist? Gehen Sie von einem Verbrechen aus?«
    Der Inspektor ließ sein Kinn fallen, um etwas zu antworten, als ihm jemand hinter mir höflich, aber in gelangweiltem Tonfall das Wort abschnitt: »Ein toter Mann hätte nicht über den Zaun klettern können. Inspektor Gibson hat messerscharf geschlossen, dass jemand die Leiche in den Kanal geworfen haben muss.«
    Überrascht drehte ich mich um und musste den Kopf in

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