Teufelsjäger (Die Mark Tate-Saga) (German Edition)
Bewegung kam. Erst zuckte sie leicht, wie jemand, der aus tiefem Schlaf erwacht. Dann richtete sie sich auf. Wie eine Spinne auf fünf dicken Beinen. Hin und her drehte sie sich, als wollte sie sich orientieren. Schließlich schien sie meiner wieder gewahr geworden zu sein. Langsam krabbelte sie näher. Es war mir einfach unmöglich, mich von der Stelle zu rühren. So hielt mich das Entsetzen gepackt. Was ich deutlich sehen konnte, erschien völlig unmöglich, widersprach aller Erfahrung, aller Vernunft.
Die krabbelnde, verwesende Hand erreichte mich. Mit einem neuerlichen Schrei trat ich danach. Ich wollte sie davonkicken, hatte mich aber total verschätzt. Die Hand war geschickter als geahnt. Im entscheidenden Augenblick gelang es ihr, sich an meinen Fuß zu klammern. Ich hatte das Gefühl, der Fuß befände sich in einem Schraubstock, der langsam zugedreht wurde. Schmerz raste durch mein Bein, breitete sich im ganzen Körper aus. Ich trat wie irrsinnig auf den Boden, um die Hand abzuschütteln oder zu zerquetschen. Sie ließ tatsächlich ab, doch nur, um an meinem Bein hochzuklettern. Sie schob sich unter mein Hosenbein, kam immer höher. Sie war eisig kalt und klebrig. In meiner Panik riß ich die Schlafanzughose, mit der ich bekleidet war, herunter. Da war sie, die Hand. Ich überwand meinen Widerwillen, meinen Ekel und griff danach. Sie krallte sich an meinen Oberschenkel und ließ sich nicht abnehmen.
„Ein nackter Mann!“ murmelte eine weibliche Stimme. Ich hielt unwillkürlich inne.
Zwei weitere Hände fühlte ich an meinem Leib, sanft, fast liebkosend. Die verweste Hand fiel prompt von mir ab, als habe sie alle Kraft verlassen. Mit einem klatschenden Geräusch traf sie auf den Boden.
„Frank, oh, Frank!“ Die Hände zogen sich zurück. Etwas wehte an mir vorüber. Es war nicht mehr als nur ein zarter Hauch, den ich spürte. „Ich suche dich. Warum lassen sie mich nicht zu dir? Warum lassen sie mich in Sehnsucht verbrennen?“ Die Stimme kam jetzt von weiter unterhalb des Ganges. „Ich liebe dich und möchte dich zu mir holen - für alle Ewigkeiten.“
Ich grapschte nach meiner Hose und zog sie wieder hoch, da ich mir auf einmal sehr lächerlich vorkam, wie ich so dastand. Dann eilte ich zu meinem Zimmer zurück, froh, endlich entronnen zu sein.
Erst als sich die Tür hinter mir schloß, konnte ich aufatmen. Ich trat ans Bett und hielt hier nach einem Lichtschalter Ausschau. Es gab einen. Am Abend, als ich zu Bett gegangen war, hatte ich ihn übersehen. Es handelte sich um einen Wechselschalter, der mit dem an der Tür gekoppelt war. Ich legte mich erschöpft auf das Bett, immer noch weiche Knie ob des Erlebten. Ja, ich schäme mich nicht, es zuzugeben. Ich, Don Cooper, habe Gott und die Welt gesehen, aber ich mußte daheim in England das nackte Grauen kennenlernen.
Jetzt war mir klar, warum sämtliche Bediensteten ihren Herrn Lord Burgess im Stich gelassen hatten. Was hatten denn sie hier erlebt? Und noch etwas wurde mir klar: Wieviel mein alter Freund durchgemacht hatte! Der dritte Punkt war: Ich war sicher, daß ich an seiner Stelle dem Wahnsinn nicht so lange widerstanden hätte!
Dabei sollte alles noch viel schlimmer werden für mich. Doch zu diesem Zeitpunkt wußte ich das noch nicht. Denn die Geisterstunde der ersten Nacht, die ich in dem Schloß verbrachte, war längst noch nicht zuende...
*
Die Erzählung nahm Don Cooper so mit, daß er schon wieder erschöpft innehalten mußte. Immer wieder fuhr er sich mit einer fahrigen Bewegung über die Stirn, als wollte er schlimme Gedanken und Bilder wegwischen, die sich dahinter befanden.
Sein Blick suchte den meinen.
„Ich will nicht fortfahren, ohne Ihre vorläufige Meinung zu der Sache zu hören.“
Ich war natürlich vorsichtig mit meinen Prognosen. Noch hatte ich keine Beweise. Don Cooper war ein Fremder, der mir eine haarsträubende Geschichte erzählte. Mehr nicht. Nur eines hatte ich inzwischen begriffen - oder glaubte ich begriffen zu haben: Egal, was wirklich passiert war - Don Cooper hatte panische Angst davor, daß es noch nicht abgeschlossen war, und suchte deshalb meine Hilfe - weil er sich einbildete, ausgerechnet ich würde dafür als einziger in Frage kommen.
„Woher nehmen Sie eigentlich den Optimismus, daß ich der Richtige bin, dem Sie das alles anvertrauen können?“
Er schaute mich fassungslos an. „Das fragen S i e ?“ Er konnte es offenbar nicht fassen.
„Ja, das frage i c h !“ entgegnete ich
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