Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Teufelskanzel - Kaltenbachs erster Fall

Teufelskanzel - Kaltenbachs erster Fall

Titel: Teufelskanzel - Kaltenbachs erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
Vom Netzwerk:
Fenstern umgeben. Im Vergleich zum Erdgeschoss war es spartanisch ausgestattet. Ein mannshoher Avocadostrauch wölbte seine dunkelgrünen Blätter über ein abgeschabtes Ledersofa. Daneben stand ein kleiner Rattantisch. Die Wandfläche nahm ein modernes, weiß lackierten Regal mit einem Zeichentisch ein.
    »Mein Elfenbeinturm!« Der Professor wies mit einer ausladenden Geste um sich. »Hier lasse ich meine Seele baumeln, wie es so schön heißt. Die besten Ideen kommen mir hier auf dem Sofa.«
    Beim Nickerchen, dachte Kaltenbach. Luise sah Oberberger bewundernd an. Der Professor schien mehr Eindruck auf sie zu machen, als Kaltenbach lieb war.
    »Außerdem ist hier der Ort, wo ich mich mit Themen beschäftige, die, sagen wir mal, eher etwas abseits der gängigen Lehrmeinung sind.«
    Er wies auf die mittleren beiden Reihen im Regal. Kaltenbach fiel auf, dass die Ordnerrücken alle einheitlich gelb mit roter Beschriftung gekennzeichnet waren. Oberberger – ein altbadischer Patriot?
    »Dazu gehört unter anderem die Erforschung der altkeltischen Jahreskalender hier bei uns am Oberrhein. Herkömmlich auch als ›Belchendreieck‹ bezeichnet.«
    Er wies auf den Zeichentisch, auf dem eine große Landkarte aufgezogen war. Das Gebiet reichte etwa von Karlsruhe bis ins Schweizer Jura. Beim näheren Hinsehen erkannte Kaltenbach das Rheinknie, den Schwarzwald und die Vogesen. Über die Karte war eine ebenso große durchsichtige Folie gespannt, auf der eine unübersichtliche Fülle von Linien und Zahlen eingezeichnet war.
    »Es gibt eine große Zahl geografischer Orte rund um den Oberrhein, die in gewisser Weise miteinander in Verbindung stehen. Dabei gab es wiederum jahreszeitliche Schwerpunkte, an denen die alten Völker ihre Feste abhielten.« Oberberger nahm einen Bleistift, der neben der Karte lag, und zeigte nacheinander auf drei Punkte. »Die drei Belchen im Schwarzwald, in den Vogesen und im Jura bilden exakt ein rechtwinkliges Dreieck zueinander. Zum Frühling- und Herbstbeginn nimmt die Sonne genau diesen Weg.«
    Er fuhr mit dem Stift vom Schwarzwälder Belchen Richtung Frankreich. »Vom Schwarzwald zum Grand Ballon im Elsass. Der keltische Sonnengott Bel auf seinem Weg von der Geburt im Osten zu seinem Tod im fernen Westen, weit über die sichtbare Grenze hinaus.«
    Luise tippte mit dem Finger auf einen Punkt nördlich von Freiburg. »Und der Kandel? Gehört der auch dazu?«
    »Das ist derzeit einer der Schwerpunkte meiner Forschungen. Der ›Glänzende‹ passt auf den ersten Blick nicht so offensichtlich in das Kräftediagramm. Aber das werde ich noch herausfinden. Wahrscheinlich ist er in den Mondzyklus eingebunden. Nicht umsonst gilt er bis heute bei den Einheimischen als Hexenberg, und Hexen versammeln sich mit Vorliebe bei Vollmond.«
    Der Professor sah erneut auf die Uhr und entblößte seine makellos weißen Zähne. »Mehr geht nicht auf die Schnelle. Und das war bereits eine fast nicht zu verantwortende Kurzfassung.« Er wandte sich zur Treppe und bedeutete Kaltenbach und Luise mitzukommen. »Ich muss diese hochinteressante Unterhaltung zu meinem größten Bedauern unterbrechen. Mein nächster Termin ist unaufschiebbar.«
    An der Eingangstür half er Luise in den Mantel. »Wir können uns gerne ein andermal weiter unterhalten.«
    Kaltenbach zwängte sich in seine Jacke. »Wir kommen gerne wieder.«
    Als sie auf der Straße standen, schlug Luise vor, noch ein paar Schritte zu gehen. Sie liefen die Elz entlang bis zum Bahnhof und von dort zur Innenstadt. Beide redeten wenig. Kaltenbach hatte das Gefühl, dass der Besuch bei Oberberger Türen aufgestoßen hatte, hinter denen etwas lauerte. Der Unbekannte hatte Peter mit einem Todesfluch belegt!
    Auf dem Rückweg zum Auto blieben sie auf der kleinen Fußgängerbrücke über die Elz stehen und beugten sich über das Geländer. Das Wasser unter ihnen spiegelte in vielen kleinen Flächen die Lichter der Häuser links und rechts am Ufer. Über ihnen kämpfte sich der aufgehende Halbmond hinter der Kastelburg hervor und verbreitete trotz der Abendwolken ein fahlgelbes Licht.
    »Meine Mutter hat uns als Kinder erzählt, dass jeder Mensch seinen Stern hat. Wenn wir groß würden, sollten wir ihn finden und ihm einen Namen geben.«
    »Hast du ihn gefunden?«, fragte Kaltenbach. Trotz der Abendkühle spürte er, wie ihn die Nähe zu dieser Frau mit einer Wärme erfüllte, die er lange nicht empfunden hatte.
    Luise gab keine Antwort. Nach einigen Augenblicken, in denen man

Weitere Kostenlose Bücher