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Teufelskanzel - Kaltenbachs erster Fall

Teufelskanzel - Kaltenbachs erster Fall

Titel: Teufelskanzel - Kaltenbachs erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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bis hin zu Gold schimmern. An seiner Vorderseite war der Reif offen und lief an den Enden in zwei gleich aussehende Tierfiguren aus.
    »Ein Ebertorques aus Südwestirland«, hörte Kaltenbach den Professor sagen. Stolz fügte er hinzu: »Ein Geschenk der Universität Cork. Etwa aus dem dritten vorchristlichen Jahrhundert. Sein Besitzer war mit großer Sicherheit ein Stammeshäuptling aus der Gegend von Newgrange.«
    Die Bilder des riesigen Felsens mit den merkwürdigen Spiralen tauchten vor Kaltenbach auf. Bisher hatte er es als touristische Attraktion betrachtet. Doch nun öffnete sich direkt vor ihm auf dem schwarzen Samt die Tür zu einer realen Vergangenheit, auch wenn der ehemalige Träger des Torques längst vergessen und sein Leib zerfallen war.
    In diesem Moment winkte ihn Luise aufgeregt zurück an den Tisch. Der Professor hatte inzwischen begonnen, die Zeichen zu entziffern, indem er die Bedeutungen aus einem schmalen abgegriffenen Büchlein auf das vor ihm liegende Blatt übertrug.
    »Was bedeutet es, Professor?«, fragte Luise gespannt.
    »Newgrange Ogham.« Der Professor sprach mehr zu sich selbst. Er schien etwas verwirrt. »Die frühesten Schriftzeichen überhaupt. Man hat sie außerhalb Irlands bisher noch nie gefunden. Seltsam.«
    »Und was heißt das auf Deutsch?«
    Der Professor sah sie ernst an. »Das ist die zweite Merkwürdigkeit. Es scheint sich um eine ›defixio‹ zu handeln, also eine Art Bannfluch. Sehr ungewöhnlich.« Er wandte sich wieder seinen Aufzeichnungen zu. »Sehen Sie hier.«
    Er wies auf die obere Hälfte des Blattes. »Hier steht sinngemäß ›Ich fluche und binde‹. Darunter zwei Namen, Bel und Abnoba.«
    Kaltenbach sprang elektrisiert auf. »Abnoba, die Schwarzwaldgöttin?«
    »Eine Erscheinungsform der ›Großen Mutter‹. Sie herrscht nach keltischem Glauben über den Urgrund der Existenz. Dem christlichen Vatergott vergleichbar. Gleichzeitig ist sie die Hüterin der Pforte zur Anderswelt, zur Magie, zum Geheimnisvollen.«
    Kaltenbach runzelte die Stirn, doch Oberberger ließ sich nicht beirren. »Für unsere Vorfahren war das alles ganz real erlebbar.« Er blätterte in seinem Büchlein. »Europaweit hat sie viele Namen bekommen. Hier im Schwarzwald wurde sie als Abnoba verehrt.«
    Der Weihestein im Colombi!, durchfuhr es Kaltenbach. »Von den Römern?«
    Oberberger schüttelte den Kopf. »Den Römern war der Schwarzwald nie ganz geheuer. Die Schluchten waren schwer zugänglich, die Berge kalt und in den Wäldern gab es kaum ein Durchkommen. Kein guter Ort für Legionäre, die gewohnt waren, in disziplinierter Ordnung zu marschieren.« Er lächelte. »Die nahmen lieber den längeren Weg außen herum und erholten sich anschließend in ihren Aquae in Badenweiler und Baden-Baden.«
    Luise hatte ihren Kopf in die Hand gestützt und gespannt zugehört. »Dann verstehe ich nicht, warum die Zeichen keltisch sind.«
    »Weil der Verfasser tatsächlich die uralte Göttin im Sinn hatte. Er wollte mit diesem Bannfluch sich selbst oder jemand anderem der Göttin weihen, als Opfer sozusagen.«
    »Wozu?«
    »Schwer zu sagen. Im Volksritus wurden vorzugsweise Tiere geopfert, um Abnoba gnädig zu stimmen. Meist Wildschweine, Rehe oder Hasen.« Kaltenbach zuckte zusammen. Das Blut auf dem Kruzifix!
    »Und Menschen?«
    »Auch das gab es«, antwortete er unbeeindruckt. Er wandte sich wieder den Ogham-Zeichen zu. »Wie in fast allen alten Kulturen gab es auch bei den Kelten Menschenopfer. Das menschliche Leben war in allen Zeiten das wertvollste Geschenk für die Götter. Jede Bitte, jede Beschwörung, jeder Ritus bekam durch ein Menschenopfer eine aufs Höchste gesteigerte Kraft.«
    »So wie dieser Bannfluch?«
    »So ähnlich. In diesem Fall würden die Kräfte sich gegenseitig steigern.«
    Kaltenbach entging nicht, dass Oberberger nebenbei bereits zum zweiten Mal auf die Uhr schaute. Eine wichtige Frage musste er noch stellen.
    »Entschuldigen Sie, wenn ich Sie noch etwas auf die Schnelle fragen muss. Was ist denn mit dem ›Belchendreieck‹ gemeint?«
    »Auf die Schnelle!« Er schüttelte lächelnd den Kopf. »Wenn ich geahnt hätte, was für wissbegierige Besucher Walter mir vorbeischickt, hätte ich mich natürlich besser vorbereitet.« Er legte die Triskele zurück in das Tuch und bedeutete ihnen mitzukommen. Hinter einer der Regalwände gab es einen schmalen Durchgang, an dessen Ende eine Wendeltreppe nach oben führte.
    Das Erkerzimmer, in das sie kamen, war an drei Seiten von

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