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Teufelskanzel - Kaltenbachs erster Fall

Teufelskanzel - Kaltenbachs erster Fall

Titel: Teufelskanzel - Kaltenbachs erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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die den rheinischen Büttenkarneval wie ein Klassenausflug spätpubertärer Laienschauspieler aussehen ließen.
    Kaltenbach legte die Mappe zur Seite und betrachtete eine Weile die vor dem Schaufenster vorbeilaufenden Passanten. Keiner nahm sich die Zeit, stehen zu bleiben und seine Auslagen zu betrachten, daher entschloss er sich, den Laden für eine halbe Stunde zuzumachen. Er brachte die leere Tasse nach hinten und spülte sie ab. Dann zog er seine Jacke an und ging hinaus in die Kälte. Das ›Geschlossen‹-Schild an der Ladentür ließ er weg.
    Das Emmendinger Westend hatte sich in den Jahren, seit er den Weinkeller eröffnet hatte, sehr verändert. Zum Guten seiner Meinung nach. Die alten Innenstadthäuser waren teils modernisiert, teils aufwendig restauriert worden. Um den Fußgängerzonencharakter zu unterstreichen, hatte die Stadtverwaltung in einen durchgehenden Kopfsteinpflasterbelag investiert, der an manchen Stellen von schmalen, eingefassten Wasserläufen begleitet wurde, die liebevoll ›Bächle‹ genannt wurden.
    Kaltenbach lief vorbei am ›Café Mahlwerkk‹ in Richtung Markt. Heute hatte er Lust, am Abend etwas Schönes zu kochen. Es gab keinen besseren Ort als den Wochenmarkt, um das Nötigste zu besorgen. Außerdem wollte er bei der Gelegenheit bei der BZ Grafmüllers Telefonnummer erfragen.
    Die Frage nach einem Motiv ging ihm nicht aus dem Kopf. Jede Gewalttat hatte einen Anlass, der stark genug war, die den Menschen tief eingeschriebene Hemmschwelle überschreiten zu lassen.
    Ein nervendes Piepen schreckte Kaltenbach auf und erinnerte ihn daran, dass er mitten auf der Straße stand. Hinter ihm erhob sich drohend die hellblaue Kühlerfront des Stadtbusses. Der Fahrer gab ihm mit unmissverständlichen Handbewegungen den Befehl, den Weg zu räumen. Kaltenbach hob die Hand zur Entschuldigung und stolperte rasch weiter. Auf dem Marktplatz standen die Verkaufsstände dicht an dicht, ein buntes Gedränge, durchsetzt mit verlockenden Düften.
    Wozu schaute er die vielen Fernsehkrimis? Die unzähligen Kommissare, Sokos, Cops, Teams und Duos gingen ihre Fälle immer nach dem gleichen Muster durch. Spurensicherung, Zeugenbefragung, Alibis. Aber oft war es erst das Motiv, das den Ermittlern den entscheidenden Durchbruch verschaffte. Wem also hatte Peters Tod genützt?
    Die meisten Morde werden aus Leidenschaft begangen, hatte ein in Diensten ergrauter Kommissar seinem jungen, draufgängerischen Gehilfen erklärt, dessen ungezügelte Fantasie der Aufklärung eher im Wege stand. Der Mensch ist des Menschen größter Feind. Konnte jemand Luises Bruder derart hassen, dass er ihn mit Gewalt aus dem Weg räumen würde? Sie hatte zwar mehrfach betont, wie umgänglich und allseits beliebt er gewesen sei. Aber Beliebtheit rief Eifersucht hervor. Oder ein Beziehungsdrama, von dem sie nichts ahnte?
    In der BZ-Geschäftsstelle war heute entschieden mehr los als beim letzten Mal. In dem kleinen Eingangsfoyer standen zwei Rentner an den beiden Stelltischchen und lasen in den Ausgaben der letzten Tage, die dort stapelweise auslagen. Im Redaktionsraum erfuhr er, dass es heute die letzten Karten für das Spiel des SC Freiburg gegen die Bayern gab. Das Kontingent war begrenzt, und an den bösen Blicken sah Kaltenbach, dass er von den Wartenden als unliebsamer Konkurrent gesehen wurde.
    Er reihte sich geduldig ein. Ihm fiel ein, dass er genauso gut hätte anrufen können. Aber er zog den persönlichen Kontakt allemal vor. Die Dame, die ihm kürzlich die Ausdrucke gegeben hatte, erkannte ihn sofort.
    »Hatten Sie Erfolg mit den Artikeln?«, fragte sie ungeachtet der wartenden SC-Fans.
    »Hervorragend. Das Interessanteste, was ich seit Langem gelesen habe.«
    Sichtlich geschmeichelt fragte sie ihn nach seinen Wünschen. Sie runzelte die Stirn, als Kaltenbach sie um die Telefonnummer von Grafmüller bat. Doch Kaltenbach setzte den besten ihm möglichen Hundeblick auf, dem sie nicht widerstehen konnte.
    »Es ist wegen dem Datenschutz, wissen Sie«, meinte sie entschuldigend. »Aber ich glaube, bei einem alten Schulfreund kann ich wohl mal eine Ausnahme machen.«
    Sie holte eine schmale Mappe aus der Schreibtischschublade, öffnete sie und notierte dann ein paar Zahlen auf einen Notizblock.
    »Kommen Sie ruhig mal wieder vorbei«, flötete sie und reichte ihm den Zettel. »Wenn nicht so viel los ist. Ich könnte Ihnen noch mehr vom Schwarzwald erzählen.«
    Doch Kaltenbach war mit seinen Gedanken bereits woanders. Er lächelte

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