Teufelsmauer
gesprochen hat. Wussten Sie das?«
Der Zenturio warf einen undeutbaren Blick auf den unverdrossenen Meisterschützen, der immer noch Pfeil um Pfeil abfeuerte. »Nein, das habe ich nicht gewusst. Ich hatte ausdrücklich Anweisung gegeben, dass wir uns von diesem Spektakel fernhalten. Dass wir damit nichts zu tun haben wollen.«
»Ja, das hat uns Ihr Signifer auch erzählt. Er hat sich aber über Ihre Order hinweggesetzt.«
Rehling kratzte sich an seinem Vollbart. »Befehlsverweigerung ⦠Renitenz. Wie ich das hasse. Es ist heute so schwer, einer Gruppe Disziplin beizubringen. Wenn man da nicht aufpasst wie ein Haftlmacher, dann tut jeder gerade, was er will. Aber ich möchte mich nicht beklagen: So, wie unsere Gruppe momentan aufgestellt ist, klappt das ganz ordentlich. Ich denke, dass diese Eigenmächtigkeit ein einmaliger Ausrutscher war. Ich werde mir Kamerad Russer aber bei nächster Gelegenheit zur Brust nehmen.«
»Wie sie momentan aufgestellt ist?«, wiederholte Morgenstern. »HeiÃt das, dass Sie auch mal Wechsel in der Mannschaft haben?«
Der Zenturio nickte missmutig. »Es hat ein paar Kollegen gegeben, mit denen es einfach nicht gepasst hat. Die haben das dann entweder selbst kapiert und sind gegangen â¦Â«
»Oder?«, fragte Morgenstern.
»Oder sie sind gegangen worden.« Rehling seufzte. »Unerfreuliche Sache. Aber manchmal unvermeidlich.«
»Wie dürfen wir uns das vorstellen?«
Der Zenturio überlegte kurz, wie viel er den beiden Ermittlern wohl an Interna verraten durfte, entschied dann aber, kein Blatt vor den Mund zu nehmen. »Zuletzt war da unser Kamerad Habermann. Er hat sich nicht in die Gruppe eingefügt, fehlte ständig unentschuldigt bei unseren Veranstaltungen. Ein unsicherer Kantonist, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
»Da haben Sie ihn rausgeschmissen.«
»Nein, nicht gleich. Da gab es eine Sache, die hat das Fass zum Ãberlaufen gebracht.« Rehling ächzte, als bereite ihm allein die Erinnerung an den Vorfall körperliche Schmerzen. Er blickte in die Ferne. »Erotische Fotoaufnahmen. Habermann hat seine Ausrüstung seiner Freundin geliehen, für ein Foto-Shooting. Halb nackt mit Helm und Schwert, ganz nackt hinterm Schild. Die fanden das wohl witzig. Ich aber überhaupt nicht.«
»Ich könnte mir das schon recht ästhetisch vorstellen«, wandte Morgenstern ein.
»Ãsthetisch, ästhetisch«, äffte ihn der Zenturio nach. »Das war nicht ästhetisch, das war Schweinskram. Fast schon Pornografie. Jedenfalls eine Entweihung von allem, was uns heilig ist.« Er redete sich weiter in Rage. »Mit unserer Ausrüstung treibt man kein Schindluder. Wir wären wohl nicht draufgekommen, wenn die Fotos, zumindest die Unverfänglicheren, nicht eines Tages mitten in Eichstätt im Schaufenster eines Fotostudios ausgehängt gewesen wären. Und das Schlimmste ist: Da hängen Sie heute noch. In der Herzoggasse, gleich hinterm Rathaus. Als ich daran vorbeigekommen bin, dachte ich, mich trifft der Schlag.«
Morgenstern wandte sich zu Hecht, der bislang schweigend zugehört hatte. »Na, Kollege, was halten Sie von diesem Foto-Shooting?«
»Hochverrat«, sagte Hecht, ohne eine Miene zu verziehen.
»Ganz genau â Hochverrat«, schloss sich der Zenturio an. »Wir haben Kamerad Habermann noch in derselben Woche unehrenhaft aus der Legion entlassen.«
»Und Ihre Kohorte hat diesen Habermann einstimmig ausgeschlossen?«, fragte Morgenstern.
»Nicht ganz einstimmig, aber nahezu«, gab der Zenturio zu.
»Wer hat für Habermann ein gutes Wort eingelegt?«, fragte Hecht.
»Es war unser Signifer. Der Gundekar. Der hat um Verständnis geworben. Aber da war nichts zu machen. Nicht bei mir und auch nicht bei den anderen. Der Habermann ist raus. Obwohl er rumgetobt hat, dass er Gründungsmitglied unserer Gruppe sei, dass wir so mit ihm nicht umspringen können und dass wir das noch bereuen würden. Das war aber alles Quatsch. Die Zeit heilt, wie man so schön sagt, alle Wunden.«
»Da wäre ich mir nicht so sicher«, sagte Morgenstern, der sich noch gut an einen Mordfall erinnerte, dessen Wurzeln sechzig Jahre in die Eichstätter Vergangenheit zurückgereicht hatten. Er lieà sich die Daten des geschassten Legionärs geben â Herbert Habermann aus Nassenfels, siebenundzwanzig Jahre
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