Teufelsmauer
Minute«, beharrte Russer.
»Bisher hat niemand etwas anderes behauptet«, sagte Morgenstern und stellte seine Schüssel ab, ohne noch einen Löffel vom Eintopf genommen zu haben. »Ich würde vorschlagen, wir bleiben in Kontakt. Sie, Herr Rehling, lassen Ihr Handy ab sofort eingeschaltet, damit wir Sie jederzeit erreichen können.«
»Aber das bringt unser ganzes Konzept durcheinander«, widersprach der Zenturio.
»Wissen Sie, was Ihr Konzept durcheinanderbringen würde? Wenn Herr Hecht und ich entscheiden würden, dass Sie alle, einer nach dem anderen, zu uns zum persönlichen Gespräch ins Polizeipräsidium nach Ingolstadt kommen. Und zwar ohne Helm, ohne Kettenhemd, ohne Schwert. Und vor allem ohne Esel. Das würde ich durcheinanderbringen nennen.«
Mit einem letzten Blick auf die verdutzte Truppe standen Hecht und Morgenstern auf und überlieÃen die Legionäre neben dem hölzernen Limesturm ihrem schwer verdaulichen Eintopf und ihren trüben Gedanken.
Als Morgenstern am späten Abend nach ebenso end- wie fruchtlosem TV -Konsum, begleitet von ebenso end- wie fruchtlosem Bierkonsum, in seinem einsamen Bett lag, kreisten seine Gedanken ebenso end- wie fruchtlos um den Tod der Limeskönigin und die seltsamen Gestalten, die sich im Lauf der vergangenen Tage um ihr algig-modriges Weihergrab aufgebaut hatten. Ãber ihm drehte sich träge ein rundes Weidengeflecht, in das ein Spinnennetz aus bunten Wollfäden geknüpft war. Daran baumelten Federn von Enten und Eichelhähern. Es war ein indianischer Traumfänger, den Fiona ihm vor einigen Jahren geschenkt hatte mit der reichlich esoterischen Erklärung, dieses Netz werde in bester Tradition der nordamerikanischen Indianer künftig Morgensterns nächtliche Alpträume einfangen und beim ersten Sonnenstrahl zerstören. Bisher hatte der Indianer-Kescher allerdings nicht geholfen. Anscheinend nutzte das bloÃe Aufhängen des Ãko-Talismans über der Bettstatt nichts, solange der Schläfer nicht zumindest ein wenig an dessen Wirkmacht glaubte.
In Morgensterns müdem Kopf defilierten nun die Kraut- und die Kartoffelkönigin vorbei, der Schatzgräber Gundekar Russer samt Sonde und frommer Mutter, Audi-Entwicklungsingenieur Heinrich Pietzka und Zenturio Karl-Heinz Rehling. Mit ernsten Gesichtern schwebten Albert Breitenhiller, dessen Frau Rosemarie und die verbliebene Tochter Katharina vorbei. Und am Ende der seltsamen Prozession rollte Werner Bauernfeind feierlich im Harvester am Weiher entlang.
Morgenstern, im Dämmerzustand zwischen Wachen und Träumen, drehte sich grunzend um und zog die Bettdecke enger um seine nackten Schultern. Jetzt träumte er, Hunderte, gar Tausende von Kipfenberger Schaffell-Germanen, allen voran der hünenhafte Werner Bauernfeind, stürmten mit Speeren und Schwertern auf eine endlose hohe Mauer zu, bei sich einen Baumstamm als Rammbock. Und oben auf der Mauer, auf der hölzernen Balustrade eines Turms, saÃen Karl-Heinz Rehling, Gundekar Russer und die anderen Legionäre und bliesen verzweifelt in ein schmales Horn aus Messing. Bei ihnen war, warum auch immer, der Legionär Morgenstern, immerhin bewaffnet mit seiner Dienstpistole.
Schon flogen Pechfackeln auf den hölzernen Turm, prasselten die Speere, surrten scharf die todbringenden Pfeile, die Signifer Russer vom Scorpio aus auf die Angreifer abfeuerte. Eine hölzerne Sturmleiter wurde an den Turm angelehnt, der erste Germane kletterte mit dem Langschwert in der Hand hinauf, mit wildem Bart, die blauen Augen hart wie Diamanten. Zenturio Rehling versuchte, die Leiter vom Turm wegzudrücken, doch sofort kletterte der nächste Angreifer nach. Der Erste hielt sich mit einer Hand an der hölzernen Brüstung fest, gleich würde er sich hinüberschwingen zum finalen Kampf Mann gegen Mann; von unten strömten immer mehr Feinde auf den Turm zu, der nun in lodernden Flammen stand. Der Rammbock hatte längst die ungeschützte Steinmauer durchschlagen, von allen Seiten stürmten die Germanen oder Hermunduren oder Alemannen oder Mongolen, Hunnen und Tartaren auf die Handvoll Legionäre in ihrem brennenden Turm ein, und gerade als Morgenstern seine Pistole auf den Hünen Bauernfeind abfeuern wollte, krachte der Turm in sich zusammen und riss alle mit sich in die Tiefe. Morgenstern breitete die Arme aus und fiel und fiel und fiel â¦
Stöhnend wachte er auf und
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