Teuflische Kuesse
den
allerschamlosesten Fratz halten. Ich weiß nicht, was über mich gekommen ist,
etwas so Ungeheuerliches zu tun, aber ich darf Ihnen versichern, dass es niemals mehr passieren wird.«
Bevor sie
noch aufstehen konnte, hatte er sie am Arm gepackt. »Wer? ...«, wiederholte
er, die Stimme brüchig vor Verzweiflung. Er kniff die Augen zusammen, um ihr
Gesicht besser sehen zu können. »Wer? ... Wer ... bin ich?«
Der
flehentliche Ausdruck seiner Augen war unmissverständlich. Seine Finger gruben
sich in ihren Arm, forderten eine Antwort, die sie nicht zu geben vermochte.
Laura
wusste, dass sie dabei war, die furchtbarste Sünde ihres Lebens zu begehen,
doch sie konnte dem zärtlichen Lächeln, das sich auf ihr Gesicht schlich,
keinen Einhalt gebieten. »Sie gehören zu mir, Sir.«
KAPITEL 3
Manchmal
ist mir, als
wärst du ein Fremder ...
All die
Jahre hatte sich
Laura mehr als einmal zusammenfantasiert, wie ihr Zukünftiger auf Arden Manor
ankam, um ihre Hand zu fordern. Manchmal ritt er ein glänzendes, schwarzes
Schlachtross mit einer weißen, sternenförmigen Blesse auf der Stirn. Oder er
entstieg einer prächtigen Kutsche, die das altehrwürdige Wappen eines
berühmten Adelshauses trug. Aber niemals hatte sie sich ausgemalt, dass er über
den Rücken eines Esels hängen würde. Das Gesicht nach unten gedreht, der Esel
von einem übellaunigen Kerl mit Cockney-Akzent geführt, der ihr unablässig die
Ohren voll fluchte, seit sie ihn von seiner Schafsherde weggeholt hatte. Nach
fast vierzig Jahren auf dem Land, zwanzig davon als Lady Eleanors ergebenes Mädchen
für alles, war Dowers Londoner Unterklassen-Akzent glücklicherweise immer noch
so stark, dass Laura das meiste ohnehin nicht verstand.
Als der
Esel auf den Hof trottete, kam Cookie schürze-wringend aus der Küche gerannt,
um ihren Mann zu begrüßen. »Oh, du gütiger Himmel! Was in aller Welt ist dem
armen Burschen passiert?«
»Armer
Bursche, das will ich meinen!«, schnaubte Dower. »Wahrscheinlich in London dem
Galgen entwischt. Wird uns heut' Nacht alle in unsren Betten umbringen, wirst
schon sehen.«
»Er ist
kein Verbrecher«, erklärte Laura zum zehnten Mal. »Er ist ein Gentleman.«
Dower
nickte viel sagend. »Hab mal so 'nen feinen Herrn gekannt – Gentleman 'Arry,
haben se ihn genannt. Hat die feinen Leut mit seinen hübschen Manieren
eingewickelt und seinem süßen Geschwätz – bis se aufgewacht sind, die Nasen
aufgeschlitzt und das Geld weg.«
Cookie schaute
zweifelnd drein, packte den Fremden am sonnengebleichten Haar und drehte seinen
Kopf herum. »Hat ein ehrliches Gesicht, wie es aussieht. Für einen noblen
Herrn.«
Der noble
Herr stöhnte, zweifellos, um sich gegen die unwürdige Behandlung zu verwahren,
die man ihm angedeihen ließ. Laura entwand sein Haar sacht Cookies Griff und
strich es um den Kragen herum glatt. »Wenn wir ihn nicht hineinbringen und uns
um seine Beule kümmern, wird er kaum noch lange genug leben, irgendwem die Nase
aufzuschlitzen.«
Sie hätte
am liebsten selber aufgestöhnt, als Lottie und George aus der Scheune gestürmt
kamen, begleitet von einer hoppelnden Horde kleiner Katzen. Sie hatte gehofft,
die beiden auf den Neuankömmling vorbereiten zu können, bevor sie ein
Feuerwerk von Fragen loslassen konnten.
»Wer ist
das?«
»Wie heißt
er denn?«
»Hat sein
Pferd ihn abgeworfen?«
»Ist er vom
Baum gefallen?«
»Hat ihn
wer ausgeraubt?«
»Ist er
ohnmächtig?«
»Ist er
tot?«, fragte Lottie, vorsichtig den Finger in die wildlederbespannte Hüfte
bohrend.
»Aus diesem
Blickwinkel kann man das nicht sagen«, erklärte George und befingerte die
feine Reitjacke aus Kaschmir.
»Das ist
ein ganz feiner Herr«, tat Cookie mit einigem Besitzerstolz kund.
Dower
schüttelte den Kopf. »Is ein entflohner Verbrecher. Bringt uns heut' Nacht alle
in unseren Betten um, brauchen bloß die Augen zuzumachen.«
Lotties
runde, blaue Augen fingen zu leuchten an. »Ein Mörder? Oh, ist das aufregend!«
Laura
knirschte mit den Zähnen und fragte sich, was der Allmächtige wohl damit
bezweckte, sie mit einer Familie von Wahnsinnigen zu strafen. »Er ist kein
entflohener Sträfling und auch kein Mörder. Er ist einfach nur ein
unglückseliger Reisender, der christlicher Nächstenliebe bedarf.« Sie zog
George den Jackenkragen aus den Fingern und hob die Stimme: »Und ich sage euch
auch, was wir tun werden. Wir werden ihm diese Nächstenliebe angedeihen lassen.
Und bei Gott, wir werden sie ihm geben, bevor er
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