Teuflische Kuesse
Stuhl.
Und den
pelzigen kleinen Körper, der ausgestreckt am Kamin lag.
Lottie
stülpte sich eine Hand vor den Mund, doch es war zu spät, den Schrei zu ersticken.
Nicholas'
Kopf flog hoch. Als ihr die Tränen aus den Augen liefen, stieß er das Buch zur
Seite und sprang auf die Füße. »Lottie, was ist los? In Gottes Namen – was ist
passiert?«
Sie zeigte
mit zitternder Hand hinter ihn. »Die Katze. Sie haben den Kuchen nicht der
Katze gegeben, oder?«
»Nein«, kam
eine dünne Stimme von dem Fensterplatz. »Er hat ihn mir gegeben.«
Das
Kätzchen hob seinen Kopf, als Laura von ihrem Fensterplatz aufstand,
schwankend wie eine Weide im Wind. Alle Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen,
was ihre Sommersprossen stark hervortreten ließ. Nicholas durchquerte mit drei
großen Schritten das Zimmer und fing sie auf, bevor sie auf den Boden fallen
konnte.
KAPITEL 12
Sie ist
vom allersanftesten Wesen, doch sie neigt zum Träumen.
Als
Cookie kurze Zeit
später vom Markt zurückkam, herrschte im Haus völliges Chaos. Lottie hatte
sich auf der Treppe zusammengekauert und heulte sich das Herz aus dem Leib,
während im oberen Stockwerk Männerstimmen herumbrüllten.
»Was zum
Teufel ist hier los?«, murmelte Cookie und stellte den Korb ab. Sie legte das
feuchte Cape ab und löste die Hutbänder. »Was ist denn, Kind? Warum in aller
Welt führen sich alle derart auf?«
Lottie hob
das tränenverschmierte Gesicht aus der Armbeuge. »Das hab ich nicht gewollt.
Ich schwör es! Er ist an allem schuld. Ich hab sie nur vor ihm
beschützen wollen.« Sie schluchzte wieder los, drückte sich an Cookie vorbei,
riss die Vordertür auf und verschwand auf den regendurchweichten Hof.
Zutiefst
beunruhigt griff Cookie ans Treppengeländer und bewegte sich mit einer
Geschwindigkeit, die sie seit zwanzig Jahren nicht mehr an den Tag gelegt
hatte, ins obere Stockwerk.
Nicholas
und George standen vor Lady Eleanors offener Schlafzimmertür. Nicholas hatte
den Jungen bei den Schultern gepackt. »Du sagst mir jetzt die Wahrheit!«,
brüllte er. »Was hat Lottie in den Kuchen getan? Ich weiß, du willst deine kleine
Schwester beschützen, aber wenn du es nicht sagst, muss Laura vielleicht
sterben.«
George
schüttelte den Kopf. Seine Unterlippe zitterte zwar, aber er schrie Nicholas
ebenso vehement an, wie der ihn. »Lottie würde Laura nie etwas antun! Ich weiß
nicht, was Sie meinen!«
In diesem
Moment entdeckte Cookie ihre junge Mistress, die hinter den beiden auf dem Bett
lag, bleich und reglos wie der Tod.
»Was ist
mit Laura passiert?«, wollte Cookie wissen, eilte ans Bett und legte die Hand
auf Lauras nasskalte Stirn. »Was ist mit meinem Lämmchen passiert?«
Nicholas
und George folgten ihr mit finsteren Mienen. »Ich bin nicht ganz sicher«, sagte
Nicholas und warf George einen bösen Blick zu. »Ich vermute, dass sie einem
boshaften Streich zum Opfer gefallen ist, der eigentlich mir gegolten hat.«
Cookie fiel
Lotties tränenreiches Geständnis wieder ein. Sie schoss zu George herum und
giftete: »Lauf in die Küche, Bürschchen,
und hol mir einen Kessel kochendes Wasser und ein paar von den getrockneten,
schwarzen Wurzeln aus meinem Kräuterkorb. Und beeil dich.«
Der Junge
machte sich offensichtlich erleichtert davon.
Während
Cookie durch die Kammer rauschte, um Handtücher und Waschschüssel zu holen,
sank Nicholas auf der Bettkante
zusammen. Er drückte sich Lauras kraftlose Hand an die Lippen, ohne auch nur
eine Sekunde ihr bleiches Gesicht aus den Augen zu lassen. »Ich kriege sie
nicht wach. Sollen wir nach einem Doktor in London schicken?«
»Machen Sie
sich keine Sorgen, Mr Nick«, sagte Cookie. »Gibt gar keinen Grund, irgendwelche
feinen Bauchaufschneider herzuholen, die nichts anderes machen, als ihr ein
paar Blutegel auf die hübschen Arme zu setzen. Ich hab mich schon um Laura
gekümmert, da war sie noch ein schmächtiges Mädchen. Hab sie gepflegt, als sie
bösen Scharlach hatte, hab ich gemacht. Kurz nachdem ihre Eltern gestorben
sind.« Sie wischte
Laura mit einem feuchten Tuch die Stirn ab und schüttelte den Kopf. »Schon als
junges Ding hat sie nie auf sich selber geschaut. Hat sich immer nur um ihre
Schwester gesorgt und ihren Bruder.« Sie schnürte mit anzüglichem Blick in Nicholas'
Richtung Lauras Mieder auf. »Männer sind selten zu was nutze in einem
Krankenzimmer. Wenn Sie wollen, können Sie ruhig unten warten.«
»Nein«,
sagte er und begegnete hilflos ihrem gefassten Blick. »Das kann ich
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