Teuflische Kuesse
nicht.«
Cookie hatte allen Grund, dankbar zu sein,
dass er geblieben war. Als Lauras Magen gegen den Brechtee rebellierte, den
Cookie ihr in den Schlund löffelte, war es Nicholas, der Lauras Kopf über der
Waschschüssel festhielt. Als sie zitternd und entkräftet in die Laken fiel, war
er es, der ihr die schweißnassen Strähnen aus dem Gesicht schob und sie in die
Chintzdecke mummelte. Und als sie, lange nachdem es dunkel geworden war, aus
ihrem erschöpften Dämmerschlaf erwachte, war er es, der auf einem Stuhl neben
ihr am Bett saß.
Laura brauchte
eine Zeit lang, bis sie begriff, dass sie nicht in ihrem eigenen Schlafzimmer
war. Sie starrte den anmutigen Betthimmel über sich an und atmete den
maskulinen Moschusduft, der sie ganz zu umgeben schien. Dann drehte sie
langsam den Kopf zur Seite und sah Nicholas im Stuhl schlafen.
Sogar mit
den wirr ins Gesicht hängenden Strähnen und den müden Schatten unter den Augen
war er noch jeder Zoll der Märchenprinz. Sofern überhaupt möglich erschien er
ihr jetzt fast noch verführerischer als an jenem Tag, da sie ihn im Wald
gefunden hatte. Damals war er lediglich ein schöner, fremder Mann gewesen. Doch
inzwischen bewunderte Laura längst nicht nur sein Aussehen, sondern ebenso
seine Intelligenz, seine Schlagfertigkeit und jene verlockende Mischung aus
Zärt lichkeit und hitzigem Temperament, die er mitunter an den Tag legte.
Als hätte
er ihren gedankenverlorenen Blick gespürt, schlug er die Augen auf.
»Was war
mit mir los?«, fragte sie und staunte, wie heiser ihre Stimme war.
Er setzte
sich auf, lehnte sich zu ihr und drückte ihre Hand. »Ich will es einmal so
ausdrücken, die Kochkünste Ihrer Schwester lassen etwas zu wünschen übrig.«
»Das hätte
ich Ihnen vielleicht sagen sollen«, krächzte Laura. »Habe ich Ihnen je
erzählt, wie sie aus Schlamm und einem Dutzend Würmern einen Kuchen gebacken
und ihn Reverend Tilsbury zum Tee serviert hat?«
»Nein«,
antwortete er mit einem schiefen Lächeln. »Sonst hätte ich den
Verlobungskuchen, den sie mir gebacken hat, nämlich abgelehnt.«
Laura
ächzte, als die Erinnerung zurückkehrte. »Oh, und wie ich erst wünschte, ich hätte es getan!«
»Ich
ebenfalls. Wenn Sie das nächste Mal nach meinen Süßigkeiten trachten, muss ich
die Kraft finden, sie Ihnen zu verwehren.« Er strich ihr mit ernsthaftem Blick
die zerzausten Haare aus dem Gesicht. »Auch wenn ich nicht sicher bin, ob ich
Ihnen überhaupt irgendetwas verwehren könnte.«
Laura legte
die Hand an seine Wange und fragte sich, wie sein Gesicht ihr in so kurzer Zeit
so lieb hatte werden können. Er schenkte ihr eine ganze Welt, während sie ihm
sein fundamentalstes Recht verweigerte – seine eigene Identität.
In jenem
Moment wusste sie, was sie zu tun hatte. Sie musste ihm alles erzählen, auch
wenn sie damit ihre eigenen Lügen zugab. Aber dann würde er sie nie mehr mit
jener betörenden Mischung aus Amüsiertheit und Zärtlichkeit ansehen. Sie nie
wieder in seine Arme ziehen und ihren Mund mit Küssen überhäufen.
Laura
drückte das Gesicht ins Kissen und versteckte die Tränen, die ihr in die Augen
stiegen.
Nicholas
hielt ihren Kummer für Erschöpfung, blies die Kerze aus und gab ihr einen
zärtlichen Kuss auf die Stirn. »Schlafen Sie gut, Liebste. Ich gehe und sage
den anderen, dass Sie auf dem Weg der Besserung sind.«
»Wenn ich
das nur wäre«, flüsterte Laura in die Dunkelheit, nachdem er gegangen war.
Nicholas dachte zuerst, es sei niemand in
der Scheune. Dann hörte er oben auf dem Heuboden ein verstohlenes Rascheln, als
wühle ein kleines, verängstigtes Tierchen sich tiefer in sein Nest.
Er stieg
die Leiter hinauf und stierte in die modrige Dunkelheit, bis er beim
Dachgesims schließlich etwas Goldenes blitzen sah. Lottie kauerte im Heu, die
Arme um die Knie geschlungen, die Haare in nassen Strähnen im Gesicht. Sie
schaute geradeaus, und sah ihn nicht an, die Tränen streifig auf dem Gesicht
getrocknet.
»Laura ist
tot, oder?«, fragte sie, bevor Nicholas etwas sagen konnte. »Deshalb sind Sie
doch gekommen, um mir zu sagen, dass sie tot ist.«
Nicholas
lehnte sich an einen abgesplitterten Holzträger. »Ich bin gekommen, um dir zu
sagen, dass deine Schwester wach ist.«
Lotties
schaute ihn ungläubig an.
Er nickte.
»Sie kommt wieder in Ordnung. Morgen früh ist sie wieder auf den Beinen.«
Lotties
Augen füllten sich erneut mit Tränen. Doch bevor sie ihr noch das Elend aus dem
Gesicht wuschen, hatte sie
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