Teuflische Kuesse
Plong in die
Erle gebohrt hatte, an der er eben vorbeigehen wollte.
Er blieb
stehen, drehte langsam den Kopf herum und entdeckte einen Pfeil in dem weichen
Holz, der noch immer vibrierte. Während er ihn verblüfft aus dem Baum zog,
schaute er sich auf der Wiese um. Abgesehen von einer Lerche, die von einem der
Zweige eines Weißdorns in der Nähe ihre Arie sang, schien die Wiese verlassen.
Dachte er,
bis er im Augenwinkel den Anflug einer Bewegung erfasste.
Da schaute
etwas aus einer kleinen Erhebung hervor. Etwas, das deutlich wie seitlich
zusammengefasste blonde Locken aussah.
Das Buch in
die Tasche zurücksteckend, ging er geradewegs über die Wiese. Er stellte den
Fuß auf den Erdhügel und beugte sich vor, um in die enge Höhle
hineinzuschauen.
»Könnte das
vielleicht dir gehören?«, fragte er die Bewohnerin und streckte ihr den Pfeil
hin.
Lottie
tauchte langsam aus ihrem Versteck auf, Klee im Haar und einen Bogen in der
Hand. »Kann sein. Ich habe mit dem Bogenschießen angefangen, wissen Sie.« Sie
schenkte ihm ein kühles Lächeln. »Ich finde es so viel befriedigender als die
Poesie.«
Nicholas'
Lippen zuckten, während sie den Pfeil zurücksteckte. »Aber weitaus
gefährlicher für deine Mitmenschen.«
»Ich habe
mit dem Sport eben erst angefangen«, protestierte sie. »Noch bin ich keine
sehr gute Schützin.«
»Wo ist
deine Zielscheibe?«
»Da
drüben.« Sie zeigte recht ungefähr auf eine weit entfernte Baumgruppe in der
gegenüberliegenden Richtung, aus der er gekommen war.
Nicholas
hob eine Augenbraue. »Oh, du bist wirklich eine schlechte Schützin.« Er nahm
ihr den Bogen erstaunt, wie vertraut er sich in seinen Händen anfühlte. »Hast
du eine Kreide?«
Auch wenn
ihr rundes kleines Gesicht nichts von ihrem Eigensinn verlor, fing sie an, in
den Taschen ihrer Schürze zu graben. Er wartete geduldig, während sie ein
Dutzend Haarbänder ausfindig machte, eine Sammlung von Steinen und Zweigen,
zwei alte Kekse und eine kleine braune Kröte, ehe sie endlich einen abgenutzten
Kreidestumpf entdeckte.
Sie
beobachtete, während sie versuchte, ihre Neugier zu verbergen, wie er zur Erle
zurückging und vier konzentrische Kreise auf den Stamm malte. Er kehrte zu
Lottie zurück, kniete sich neben sie und rückte ihr vorsichtig den Bogen in
die richtige Stellung.
»Ruhig«,
murmelte er und zeigte ihr die Bewegungen des Auflegens des Pfeils und des
Zielens.
Der Pfeil
zischte los und segelte über die Wiese, um die Erle lautstark mitten im
innersten Kreis zu treffen.
Im
Aufstehen zerzauste Nicholas ihre Locken und schenkte ihr ein Lächeln. »Wähle
etwas, worauf du auch zielen willst, Goldlöckchen, und du triffst deine
Zielscheibe jedes Mal.«
Er zog das
Buch aus der Tasche, setzte seinen Weg fort und merkte nicht, dass Lottie dasaß
und das erste Mal in ihrem jungen Leben sprachlos war.
Als
George am nächsten
Tag die Küche betrat und sich den Regen des Nachmittagsschauers aus den Haaren
schüttelte, war Cookie
nirgends zu sehen. Statt ihrer fand er Lottie, die auf einem Schemel neben dem
Tisch stand und ganz konzentriert eine Mandelcreme schlug. Mehl verschmierte
ihre rundlichen Wangen, und eine puschelige graue Katze hockte neben der
irdenen Schüssel und tat recht unbeteiligt.
Er sah ihr
zu, wie sie die unglücklichen Zutaten zu einem festen Schaum schlug und hob
eine Augenbraue: »Keine Ahnung, warum du Pfeil und Bogen genommen hast, wenn
du jemanden schon mit diesem Löffel zu Tode prügeln kannst.«
Er wartete,
bis sie sich wegdrehte, um eine Prise Zimt aus einer Porzellanschale zu
fummeln, ehe er mit seinem Finger am Rand der Schüssel entlangfuhr.
Er hatte
ihn halb im Mund, als sich Lottie umdrehte und schrie: »Nein, George!«
George
erstarrte. Er schaute sie an, dann auf die Schüssel und merkte, wie die Farbe
aus seinem Gesicht wich. Er griff nach dem Lappen, den sie ihm reichte und
wischte sich jede Spur der Creme von der Haut.
Mit einem
gehetzten Blick auf die Tür des Esszimmers flüsterte er: »Was zum Teufel
glaubst du eigentlich, was du hier treibst? Ich dachte, du würdest ihn nicht
töten bis nach der Hochzeit.«
»Ich habe
nicht vor, ihn zu töten«, flüsterte sie zurück. »Ich möchte ihn bloß leicht
krank machen. Das ist der einzige Weg, die richtige Dosierung auszuprobieren.«
»Aber wenn
er krank wird, nachdem er das gegessen hat, wird er dann nicht annehmen, dass
du ihn vergiftet hast?«
»Natürlich
nicht. Er kann sich nicht vorstellen, dass wir ihm was
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