Teuflische Kuesse
Unmögliche. Er hörte auf, sie zu
küssen.
Irgendwie
war Laura mit seiner Hand auf den Rippen in seinen Armen gelandet. Sein Daumen
schwebte nur eine Winzigkeit über der verführerischen Rundung ihrer Brust. Ihr
Herzschlag donnerte gegen diese Rippen wie das Echo seines eigenen Herzens.
Als sie endlich begriff, dass er sie nicht mehr küsste, schlug sie langsam die
Augen auf.
Ihr Blick
war umnebelt, die rosigen Lippen glänzten von seinen Küssen. Sie hatte nach
Leidenschaft und Unschuld geschmeckt. Und er hätte geschworen, diesen
betörenden Geschmack nie zuvor gekostet zu haben.
»War es bei
unserem ersten Kuss genauso?«
Der
vorwurfsvolle Tonfall riss sie aus ihrer Benommenheit. Sie versteinerte. »Eher
nicht, würde ich sagen, Sir. Sie waren der Inbegriff der Zurückhaltung.«
»Dann habe
ich außer meinem Gedächtnis vielleicht auch meine Skrupel verloren.« Er strich
ihr das zerzauste Haar aus den Wangen und bemerkte erstaunt, dass seine Hände
zitterten. »Warum gehen Sie nicht lieber zu Bett, bevor Sie noch etwas
Wertvolleres verlieren?«
Seine Worte
klangen wie eine Bitte, doch Laura verstand sie als Warnung. Sie zog sich so
würdevoll wie möglich aus seiner Umarmung. »Aber sicher, Sir. Ich wünsche eine
gute Nacht.«
Sie hielt
diese Würde aufrecht, bis sie aus seiner Sichtweite war. Dann stürzte sie die
Treppe hinauf, als sei der Teufel hinter ihr her.
Vielleicht
war er das auch. Nicholas fuhr sich mit der Hand übers Kinn.
Er hatte
seiner Verlobten mit unschuldigen Küssen und süßen Worten den Hof machen
wollen, nicht in Hörweite ihrer Familie über sie herfallen. Der Gedanke rief
ihm mit aller Macht wieder Lauras Anblick ins Gedächtnis. Wie sie auf der Bank am
Fenster zwischen den Kissen gelegen hatte, den Rock des Nachtgewands bis zur
Hüfte hochgeschoben, während er ihr lustvolles Gestöhn mit Küssen erstickte.
»Zur
Hölle«, fluchte er und sprang auf.
Er konnte
es nicht abstreiten. Ihre unschuldigen Lippen hatten ihn heftig,
besitzergreifend und primitiv reagieren lassen. Wenn man ihr glauben konnte,
waren sie fast ein Jahr lang getrennt gewesen. War es so lange her, dass er
eine Frau geküsst hatte – oder sogar noch länger? Ein eigentümlicher Gedanke
machte ihm zu schaffen. Er sorgte sich hier um ihre Treue, aber er hatte nicht
die geringste Ahnung, ob er selbst ihr dieses Jahr über treu gewesen war.
Vielleicht hatte er, wie so viele andere vor ihm, seine niedrigen Gelüste in
den Armen einer Soldatenhure ausgelebt.
Er
schüttelte den Kopf und staunte darüber, wie leidenschaftlich sie beide
gewesen waren. Was eines betraf, hatte Laura ihn nicht belogen, das hatten ihm
ihre Küsse bewiesen – sie gehörte zu ihm. Daran gab es keine Zweifel mehr.
Er war kurz
davor, in sein kaltes, einsames Bett zurückzukehren, da fielen ihm die
verkohlten Reste des Briefs ein, den Laura verbrannt hatte. Er ging in die Knie
und fuhr mit den Fingern durch die Asche.
Er
erwischte einen Klumpen geschmolzenen Wachses – noch warm und so weich und
geschmeidig wie Lauras Berührungen. Er richtete sich vorsichtig auf und
drückte den Klumpen zwischen Daumen und Zeigefinger zusammen. Er mochte sein
ganzes Leben vergessen haben, aber eines wusste er genau: Ein Dorfmetzger
verschloss seine Rechnungen nicht mit kostspieligem Siegelwachs.
KAPITEL 8
Ich bete
jede Nacht für dich, ohne auch nur eine auszulassen ...
Als
Nicholas am
nächsten Morgen erwachte, dröhnte ihm wie zur Strafe schon wieder der Schädel.
Er ächzte und zog sich das Kissen über den Kopf, was den Lärm erträglicher
machte.
Worauf ihm
auch aufging, dass sich der Aufruhr nicht in seinem Kopf abspielte, sondern
draußen vorm Fenster. Er griff sich die Hosen vom Fußende des Betts, schlüpfte
hinein und stolperte ans Fenster.
Er machte
es auf, lehnte sich aus der Dachgaube und sog die kühle, frische Luft in die
Lungen. Die Nacht hatte einen Schleier aus Tau aufs Gras gelegt, der nun in der
Morgensonne glitzerte. Laut klangen die Glocken, hallten in vielstimmigem
Geläut über die sanften Hügel und Wiesen wider, lieblich und wehmütig. Es war
die Art von Musik, die einen Mann einen Kloß im Hals bekommen ließ. Die Art
von Musik, die einen Mann nach Hause rief.
Falls er
ein Zuhause hatte.
Nicholas
schloss vorsichtig, aber nachdrücklich das Fenster. Er schob sogar die Riegel
vor und zog die Vorhänge zu, doch das verlockende Geläut ließ sich nicht zum
Schweigen bringen.
Als hinter
ihm die Tür aufknarrte, schoss er
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