The Attack
der Fabrik im Sudan ist zwar nur eine Fußnote, aber eine höchst instruktive. Interessant ist vor allem die Reaktion, wenn man wagt, davon zu reden. Das habe ich in der Vergangenheit getan und ebenso jetzt, als Staatsverbrechen 31
ich kurz nach dem Attentat vom 11. September auf Fragen von Journalisten antwortete. Ich erwähnte, daß die Verluste dieses »entsetzlichen Verbrechens«, das (um Robert Fisk zu zitieren) mit »Bösartigkeit und furcht-erregender Grausamkeit« begangen wurde, mit den Folgen vergleichbar wären, die Clintons Bombardierung der Fabrik von Al-Shifa im August 1998 hervorgerufen hätte.
Diese Bemerkung füllte viele Zeitschriften und
Webseiten mit bizarren Anschuldigungen, auf die ich hier nicht weiter eingehen will. Wichtig ist nur, daß dieser eine Satz, der sich bei näherem Hinsehen eher als eine Untertreibung herausstellt, von einigen Kommentatoren als höchst skandalös angesehen wurde. Offensichtlich halten sie im tiefsten Herzen, auch wenn sie es vor sich selbst leugnen, unsere Verbrechen gegen die Schwachen für so normal wie die Luft, die wir atmen. Unsere Verbrechen, für die wir als Steuerzahler verantwortlich sind, weil wir keine Reparationen bezahlen, sondern den Tätern noch Zuflucht und Immunität gewähren und die schrecklichen Tatsachen einfach ins schwarze Loch der Gedächtnislosigkeit sinken lassen.
Die Folgen der Zerstörung dieser Fabrik lassen sich nur schätzen. Der Sudan rief die UNO an, um zu erfahren, ob und wie die Bombardierung sich rechtfertigen ließe, aber selbst das wurde von Washington verhindert. Weitere Nachforschungen scheint es kaum gegeben zu haben. Wir sollten sie jedoch anstellen und uns dabei an einige Binsenweisheiten erinnern, sofern wir an Menschenrechten überhaupt interessiert sind. Wenn wir abschätzen, wie viele Opfer ein Verbrechen gekostet hat, dann zählen wir nicht nur die unmittelbar Getöteten, sondern auch diejenigen, die an den Spätfolgen starben. Also betrachten wir in diesem Fall nicht nur diejenigen, die in Khartum durch 32 Noam Chomsky
den Einsatz von Marschflugkörpern gestorben sind, sondern auch die Opfer der weiterreichenden Folgen dieses Verbrechens, das zwar die gängigen politischen und ideologischen Funktionsweisen reflektiert, aber darum —
selbst wenn man persönliche Probleme von Präsident Clinton in Rechnung stellt (was ich zweifelhaft finde) -
doch ein Verbrechen bleibt.
Diese Binsenweisheiten behalten wir im Auge und
wenden uns nun den Informationen zu, die den Mainstream-Medien mühelos zu entnehmen waren. Mit einer Analyse der Rechtfertigungen, die Washington lieferte, halte ich mich nicht weiter auf, denn sie sind angesichts der Folgen in moralischer Hinsicht von untergeordneter Bedeutung.
Ein Jahr nach dem Angriff »ist, als Folge der Bombardierung, die Todesrate im Sudan ohne die lebensrettende Medizin [aus der zerstörten Fabrik] langsam angestiegen...
Zehntausende von Menschen, darunter viele Kinder, sind an Malaria, Tuberkulose und anderen heilbaren Krankheiten gestorben... [Al-Shifa] produzierte bezahlbare Arzneimittel für Menschen und Tiere im Sudan. 90 Prozent der
pharmazeutischen Produkte des Landes kamen von dort...
Die Sanktionen gegen den Sudan machen es unmöglich, Arzneimittel in dem Umfang zu importieren, der die Lücke schließen könnte, die durch die Zerstörung der Fabrik ent-standen ist... Millionen von Menschen müssen sich fragen, was der Internationale Gerichtshof in Den Haag ein Jahr nach diesem Vorfall dazu sagen wird.«3
»Der Verlust dieser Fabrik ist für die Landbewohner, die auf die Arzneimittel angewiesen sind, eine Tragödie.«4
Al-Shifa produzierte einen Großteil »der Arzneimittel des Sudans, und ihre Zerstörung hat das Land seiner Vorräte an Chloroquin, dem wichtigsten Heilmittel gegen Staatsverbrechen 33
Malaria, beraubt«. Monate später jedoch verweigerte sich die britische Regierung Anfragen, »Chloroquin für den Notfall zur Verfügung zu stellen, bis der Sudan seine pharmazeutische Produktion wieder aufbauen kann«.5
Al-Shifa war »die einzige Fabrik, die Mittel gegen Tuberkulose herstellte - für mehr als 100 000 Patienten, für ein britisches Pfund im Monat. Teure Importe können sich die meisten nicht leisten - und auch nicht ihre Männer, Frauen und Kinder, die sich seitdem angesteckt haben. Al-Shifa produzierte auch sämtliche Arzneimittel gegen Tierkrankheiten in diesem großen herdenreichen Land.
Sie stellte vor allem Mittel gegen die Parasiten
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