The Attack
befreien
versuchte«, nun aber »in den Alptraum jenes fruchtlosen Extremismus zurückfällt, dem es entkommen wollte«.
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Diese »politischen Kosten« können den Sudan im End-effekt teurer zu stehen kommen als die Zerstörung seiner
»ohnehin nicht sattelfesten medizinischen Versorgungs-strukturen«, meint Astill.
Er zitiert dann noch Idris Eltayeb, einen führenden sudanesischen Pharmakologen und den Vorsitzenden des Verwaltungsrats von Al-Shifa. Ihm zufolge ist das Verbrechen »ebenso ein Akt des Terrorismus wie der Anschlag auf das World Trade Center - mit dem Unterschied, daß wir wissen, wer die Fabrik in die Luft gejagt hat. Ich bin sehr traurig wegen der Opfer [in New York und Washington], aber im Hinblick auf die Anzahl der Toten und die Folgekosten für ein armes Land war [der Anschlag im Sudan] schlimmer.« Er dürfte, was die »Anzahl der Toten«
angeht, recht haben, auch wenn wir die langfristigen »politischen Kosten« nicht in Betracht ziehen.
Die »Folgekosten« will ich nicht bewerten, und selbstverständlich ist es unsinnig, Verbrechen dieser Art überhaupt gegeneinander abwägen zu wollen, auch wenn es vernünftig und wissenschaftlich haltbar ist, die jeweilige Zahl der Opfer miteinander in Beziehung zu setzen. Die Zerstörung der Fabrik hat auch für die Bevölkerung der Vereinigten Staaten schwerwiegende Folgen gehabt, wie die Geschehnisse vom 11. September in aller Deutlichkeit gezeigt haben. Bemerkenswerterweise spielte der Vorfall im Sudan in der Erörterung des Versagens der Geheimdienste überhaupt keine Rolle.
Kurz vor dem Angriff auf die Fabrik waren im Sudan zwei Männer unter dem Verdacht festgenommen worden, Bombenattentate auf amerikanische Botschaften in Ost-afrika verübt zu haben. Wie US-Regierungsbeamte bestä-
tigen, wurde Washington davon in Kenntnis gesetzt. Aber die USA lehnten das sudanesische Angebot zur Zusam-Staatsverbrechen 37
menarbeit ab, un'd nach dem Angriff setzte der Sudan die Verdächtigen »verärgert auf freien Fuß«.9 Ein weiterer Grund für die Freilassung wird aus kürzlich durchgesik-kerten FBI-Memoranden ersichtlich: Das FBI bemühte sich um die Auslieferung der Inhaftierten, aber das Au-
ßenministerium verhielt sich ablehnend. Ein »hochrangiger CIA-Angehöriger« bezeichnete diese Ablehnung der
sudanesischen Bereitschaft zur Kooperation als »das schlimmste Versagen des Geheimdienstes« im Hinblick auf den Anschlag vom 11. September. Denn der Sudan hätte »den Schlüssel zu dieser Affäre« liefern und Belastungsmaterial gegen Bin Ladin vorlegen können, wenn nicht die US-Regierung wegen ihres »irrationalen Hasses« gegen den Sudan alle Angebote ausgeschlagen hätte.
Der Sudan besaß nämlich »umfangreiche geheimdienstliche Informationen über Usama Bin Ladin und mehr als zweihundert Mitglieder seiner Terrororganisation Al-Qaida«, die zur Verfügung zu stellen er bereit war.
Washington wurde »umfangreiches Aktenmaterial mit Fotografien und detaillierten Lebensläufen vieler Füh-rungsmitglieder und wichtige Informationen über die weltweiten finanziellen Transaktionen von Al-Qaida«
offeriert. Washington lehnte ab. »Vernünftigerweise muß man sagen, daß wir mit diesen Daten die Angriffe
vielleicht hätten verhindern können.« Soweit der CIA-Angehörige.10
Das Gleiche gilt für »unsere kleine Gegend hier«, wie der einstige US-Außenminister Henry Stimson die westliche Hemisphäre genannt hat. Wenn der US-amerikanischen Doktrin zufolge Opfer von Terrorangriffen das Recht haben, mit Mitteln der Gewalt darauf zu antworten, hätte Kuba allen Anspruch darauf, weil die Insel seit 1959 von den Vereinigten Staaten terroristisch attackiert wird.
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Aber das alles interessiert die Öffentlichkeit hierzulande wenig, wie auch das folgende Beispiel zeigt. Am 16. September berichtete die New York Times, daß die USA von Pakistan verlangt hätten, seine Hilfslieferun-gen an Lebensmitteln nach Afghanistan einzustellen.
Hinweise hatte es schon vorher gegeben, aber jetzt wurde es unwidersprochen behauptet. Washington habe, so John Burns aus Islamabad, unter anderem gefordert, »die Lastwagenkonvois, die Lebensrnittel und andere Güter an die afghanische Bevölkerung liefern, zu stoppen«. Das bedeutet, daß ungezählte Afghanen dem Hungertod
ausgeliefert werden. Und es sind keine Tali-ban, sondern deren Opfer, vielfach Menschen, die an der Flucht gehindert werden. Die Forderung an Pakistan lief darauf hinaus, weite
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