The Attack
längeres Interview mit ihm führte, berichtet, Bin Ladin wisse so gut wie nichts von der Welt und verlange auch nicht danach. Wir können natürlich diese Tatsachen und auch die Wurzeln solcher Haltungen wie die von Bin Ladin und seiner Verbündeten ignorieren, bringen uns damit aber selbst in Gefahr.
Warum nun sind die Menschen im Mittleren Osten,
gleich welcher Bevölkerungsschicht sie angehören, so enttäuscht und verbittert? Ein gewichtiger Grund, der weder in den Vereinigten Staaten noch in Europa richtig verstanden wird, ist die Politik der USA gegenüber Israel einerseits und dem Irak andererseits.
Im Irak habe, so lautet die Kritik, die US-Politik in den letzten zehn Jahren die Zivilgesellschaft zerstört und Saddam Hussein gestärkt. Man weiß natürlich, daß die USA Saddam bei seinen schlimmsten Greueltaten, wie den Gasangriffen auf die Kurden 1988, geholfen haben. Wenn Bin Ladin in seinen Ansprachen, die in der Region über-tragen werden, auf solche Vorkommnisse hinweist, stimmen ihm selbst diejenigen zu, die ihn verabscheuen. Über die USA und Israel sind hierzulande selbst die wichtigsten Tatsachen nahezu unbekannt, das gilt insbesondere für die intellektuelle Elite. Ebensowenig teilen die Menschen in den arabischen Ländern die in den Vereinigten Staaten gehegten Illusionen über die »großzügigen« Angebote, die im Sommer 2000 in Camp David gemacht worden
sein sollen. Es gibt hierüber genügend gut dokumentierte 22 Noam Chomsky
Materialien aus einwandfreien Quellen, aber niemand kennt sie.
Im übrigen bietet der Kampf gegen Bin Ladin für die USA eine Gelegenheit, andere innen- und außenpolitische Ziele durchzusetzen, wie etwa die Militarisierung des Weltalls, den Abbau von Sozialprogrammen usw. Au-
ßerdem läuft es darauf hinaus, den Gegnern von Globalisierung und Umweltzerstörung das Wasser abzugraben.
Die Militärschläge gegen Afghanistan kommen wiederum Bin Ladin höchst gelegen. Wie üblich gibt es auf beiden Seiten viele Bin Ladins.
Der Sender »AI-Dschasira«
Während in den Vereinigten Staaten selbst die Be-
schränkung der Informationsfreiheit in Kriegssituationen nur selten auf Regierungseinwirkung zurückgeht,
sondern eher Sache der Selbstzensur ist — im Augenblick ist die Lage sogar besser als gewöhnlich —, gibt es einige überraschende Vorstöße der Regierung, den freien Informationsfluß im Ausland zu unterbinden. Die
arabische Welt hat eine freie und offene Nachrichten-quelle: den TV-Sender Al-Dschasira in Qatar, der nach dem Vorbild der BBC gestaltet wurde und über Satelli-tenfernsehen empfangen werden kann. Er findet in der arabischen Welt enorme Beachtung, weil er als einziger Sender unzensiert arbeitet. Al-Dschasira bringt sehr viele wichtige Nachrichten, aber auch Live-Diskussio-nen und läßt ein breites Spektrum an Meinungsäußerungen zu.
Ein paar Tage vor dem 11. September kamen dort Colin Powell und der israelische Premierminister Barak zu Wort (sogar ich wurde um meine Meinung ge-Ideologische Begleitmusik 23
beten). Al-Dschasira ist auch, wie das Wall Street Journal vermeldete, »der einzige internationale Nachrich-tensender, der Reporter im von den Taliban besetzten Teil Afghanistans unterhält«. Unter anderem gelang es ihm, die Zerstörung der großen Buddha-Statuen zu fil-men, die in aller Welt mit Recht Empörung hervorgerufen hat. Ferner hat er umfangreiche Interviews mit Bin Ladin geführt, die sicherlich von den westlichen Geheimdiensten eingehend geprüft wurden, aber auch für all diejenigen von Interesse sind, die wissen wollen, was er denkt. Sie wurden übersetzt und von der BBC erneut ausgestrahlt, einige davon stammen aus der Zeit nach dem 11. September.
Al-Dschasira wird von den Diktaturen in der Region gefürchtet, weil er ohne Umschweife ihre Menschenrechtsverletzungen anprangert. Mittlerweile gehören auch die USA zu den Ländern, die Al-Dschasira mit Arg-wohn beobachten. Die BBC berichtete: »Die Vereinigten Staaten sind nicht die ersten, denen die Berichterstattung von Al-Dschasira mißfällt. Schon vorher haben Algerien, Marokko, Saudi-Arabien, Kuwait und Ägypten sich ver-
ärgert gezeigt, weil der Sender politische Dissidenten zu Wort kommen ließ.«
Der Emir von Qatar bestätigte, daß »Washington
Qatar gebeten hat, den einflußreichen und journalistisch unabhängigen Fernsehsender an die Kandare zu
nehmen«, heißt es in der BBC weiter. Der Emir, der auch bei der 56 Länder umfassenden Islamischen Konferenz den
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