The Bards Tale 01 - Die Burg der Verräter
an, als wäre er verrückt geworden.
»Warum wohl sollte ich etwas derartig Närrisches machen? Ich habe ein schönes Haus und gute, geregelte Arbeit. Wirklich, mein Lieber, ich glaube, dir ist der Frühling in die Glieder gefahren!« Sie scheuchte ihn mit seifigen Händen fort. »Und jetzt geh deiner Wege, Kevin.
Ich habe zu arbeiten.«
Der Bardling wanderte Bracklins einzige Straße bis zum Ende entlang. Das dauerte nicht lange. Er blieb stehen, ließ den Blick über die ordentlich gepflügten Felder jenseits des Dorfrandes schweifen, von denen eins wie das andere aussah, und erschauerte. Auf dem Rückweg zum Blue Swan erwiderte Kevin höflich die Grüße des Bäckers, der Näherin und des Schlachters. Ihm fiel auf, daß sie alle friedlich ihren verschiedenen Aufgaben nachgingen, so wie jeden Tag. Und keinem von ihnen schien das etwas auszumachen! Kevin war plötzlich so enttäuscht, daß er hatte schreien mögen, also lief er schnell durch die Herberge zurück in sein Zimmer. Genausogut konnte er ein neues Lied lernen!
Aus dem Zimmer des Meisters drang kein Laut. Natürlich nicht! Der alte Barde hatte vermutlich seine Nase in uralten Manuskripten vergraben, wie immer, wenn er nicht selbst spielte oder seinem Bardling Unterricht gab –
er machte das fast schon die ganze Zeit, die Kevin jetzt bei ihm lernte.
Ich weiß, daß er einer sehr wichtigen Sache auf der Spur ist. Aber er will mir einfach nicht sagen, worum es sich handelt! Und während er in all diesen staubigen Folianten stöbert, sitze ich hier in Bracklin mit ihm fest.
Ich bin kein Kind mehr! Damit kann ich nicht zufrieden sein!
Der Bardling griff unwillig nach seiner Laute und schlug heftig ein paar Akkorde an. Doch mit der gerissenen Saite konnte er nicht spielen.
»Verflixt und zugenäht!«
Kevin stöberte durch die Unordnung auf dem Boden, bis er eine Ersatzsaite fand. Es war einfach lächerlich!
Meister Aidan brauchte nur ein Wort zu sagen, und König Amber würde ihn mit Freuden zum königlichen Barden machen. Sie könnten schon längst im königlichen Palast leben!
Wäre das nicht herrlich? Kevin stellte sich seinen Meister in den eleganten Roben der Barden vor, malte sich aus, wie die Leute ehrfurchtsvoll den Kopf neigten, wenn er vorüberging. Er würde eine große Macht bei Hofe sein. Und sein mutiger junger Schüler wäre ebenfalls eine Person von einiger Bedeutung …
»Genau«, murmelte Kevin. »Und Schweine können fliegen.«
Sein Meister hatte ein ungeheures musikalisches Talent, daran gab es nicht den geringsten Zweifel. Jedesmal, wenn der alte Barde seine eigene, abgenutzte Mandoline hernahm und dem Jungen zeigte, wie ein Lied gespielt werden sollte, überlief Kevin ein bewundernder Schauer, und dabei drängte sich ihm ein Stoßgebet in den Sinn: Oh, bitte, bitte, laß mich irgendwann auch so spielen können, mit solch einer Eleganz, einer solchen …
solchen Herrlichkeit! Seit einiger Zeit hegte er die Hoffnung, daß seine Gebete, wenn auch nicht erhört , so doch wenigstens gehört worden waren. Schließlich behauptete selbst Ada steif und fest, daß Meister Aidan auch ein Experte in Bardenmagie war …
Ich verstehe das nicht! Wenn ich eine solche Gabe hät-te, würde ich sie nutzen und sie nicht tief in mir vergraben.
Genau, wenn , dachte Kevin finster. Schließlich war es nicht so, daß jeder Barde von vornherein die Gabe der Bardenmagie besaß. Meister Aidan schien davon überzeugt zu sein, er, Kevin, besäße sie und hatte ihm ein ums andere Mal versichert, daß diese Gabe bei einigen Bardlingen erst spät zur Blüte reife. Aber wenn er, Kevin, wirklich diese Magie in sich hätte, wäre ein Zeichen davon sicherlich schon längst zutage getreten. Schließlich war er fast ein erwachsener Mann! Doch bis jetzt hatte er nicht einmal das leiseste Prickeln der Macht gefühlt, ganz gleich, wie sehr er sich bemüht hatte. Für ihn waren die magischen Lieder, die sein Meister ihn gelehrt hatte, nicht mehr einfache Lieder.
Der Bardling schlug gereizt die Laute an und zuckte sofort zusammen. Ein schiefer Ton! Die Saiten einer Laute verstimmten sich nur allzuleicht.
Nachdem er sie wieder neu gestimmt hatte, gestand Kevin sich widerwillig ein, daß es ihm wirklich viel Freude machte, zu musizieren, und dabei auch gut zu spielen. Was jedoch blieb ihm, abgesehen von dieser Musik? Gewiß, es stimmte, ein Musiker hatte selten Zeit für andere Dinge. Wenn er überhaupt Erfolg haben wollte, mußte er sich vollkommen seiner Kunst
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