The Bards Tale 01 - Die Burg der Verräter
hingeben.
Das konnte Kevin akzeptieren. Doch mußte das Leben deshalb so eintönig sein? Was tat er denn schon den ganzen Tag, außer wie ein kleiner Junge Besorgungen für den Meister zu erledigen, alte Manuskripte abzustauben, immerzu dieselbe langweilige Stadt und dieselben langweiligen Menschen zu sehen?
Genausogut könnte ich Lehrling bei einem Bäcker sein!
»Kevin!« rief ihn eine schwache Stimme von der anderen Seite des Flures. Der Bardling richtete sich lauschend auf. »Komm bitte her.«
»Ja, Meister.«
Was nun? Sollte er vielleicht ihr Abendessen beim Wirt bestellen? Oder zu Ada gehen und nachfragen, wann genau die Wäsche fertig war?
Doch als der Bardling das blasse Gesicht des alten Barden sah, verschwand seine Ungeduld, vertrieben von einer plötzlichen Sorge. Er hatte den Meister niemals anders denn als einen weißbärtigen alten Mann erlebt, aber so erschöpft hatte er ihn gewiß noch nie gesehen.
Oder so … gebrechlich.
Das liegt daran, daß er niemals ausgeht , versuchte Kevin sich einzureden. Er geht nie hinaus an die Sonne, sondern hockt lieber hier oben bei seinen Büchern.
»Meister? Ist … Ist etwas nicht in Ordnung?«
»Nein, Kevin. Nicht wirklich.«
Doch tief in den müden blauen Augen des Mannes schien so etwas wie ein Funke zu glimmen. Unvermittelt durchströmte Kevin eine wilde Hoffnung, so daß er fast laut hinausgelacht hätte. »Ihr habt gefunden, was Ihr suchtet!«
»Herrjeh, nein.«
»Was … was ist es dann? Gehen wir fort?« O bitte, o bitte, sag ja!
»Wir? Nein, Junge. Du.«
Kevin hämmerte das Herz in der Brust. Ja! Endlich passierte etwas Neues! »Ihr … Ihr werdet es nicht bereuen!« stammelte er. »Sagt mir nur, was ich zu suchen habe, und ich …«
Der alte Barde kicherte schwach. »Ich fürchte, es ist keine Suche, mein tapferer junger Held. Mehr ein Botengang. Zwar ein längerer als gewöhnlich und auch weiter entfernt als die meisten bisher, aber nichtsdestoweniger ein Botengang.«
»Oh.« Kevin war bemüht, sich die Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Ich hätte es wissen müssen. Einfach nur eine weitere, blöde Besorgung.
»Ich möchte«, fuhr der Barde fort, »daß du zur Burg des Grafen Volmar gehst …«
»Und eine Nachricht vom König überbringe?« Das wäre wenigstens etwas halbwegs Dramatisches!
»Und ein Manuskript für mich kopierst«, korrigierte sein Meister ihn und schaute an seiner langen Nase vorbei seinen Schüler an. »Du wirst es abschreiben – ganz genau abschreiben, hörst du, und mir die Abschrift bringen.«
Kevin unterdrückte mit Mühe ein Stöhnen. »Ist der Text sehr lang?«
»Das nehme ich an.«
Und vermutlich auch unerträglich langweilig. »Aber Meister«, fragte Kevin verzweifelt. »Warum bittet Ihr sie nicht einfach, Euch das Manuskript zu senden?«
»Nein! Es ist zu wertvoll, um transportiert zu werden.«
Natürlich. »Wenn Ihr eine genaue Kopie wollt«, schlug der Bardling so ruhig wie möglich vor, »warum beauftragt Ihr dann keinen geübten Schreiber …«
»Nein!« einen kurzen Moment lang huschte ein derart grimmiger Ausdruck über das Gesicht des Barden, daß der verblüffte Kevin fast den alten Heldensagen hätte Glauben schenken mögen. Doch dann verschwand er wieder, und Kevin sah nur noch das vertraute Gesicht des schwachen alten Mannes. »Ich habe dir deine Befehle gegeben. Das Manuskript, das du abschreiben mußt, heißt Lehrbuch Alten Liedguts. Es ist ungefähr drei Spannen hoch, anderthalb Spannen breit und hat einen schlichten, dunkelbraunen Ledereinband. Ich kann mir vorstellen, daß es mittlerweile ziemlich mitgenommen sein dürfte. Der Titel ist möglicherweise auf den Buchrücken geprägt, sollte aber auf jeden Fall auf dem Titelblatt stehen.« Er machte eine Pause. »Kurz gesagt: Das Manuskript darf nicht aus der Bibliothek des Grafen entfernt werden. Und nur du darfst es abschreiben. Die Kopien jedes Tages müssen gut versteckt werden. Und du darfst es niemandem zeigen. Hast du das verstanden?«
Kevin runzelte die Stirn. Hatte der alte Barde es sich anders überlegt? Oder versuchte er, was wahrscheinlicher war, einfach nur, einen langweiligen Auftrag mit einem Hauch von Dramatik aufzuwerten?
Der Bardling verbeugte sich resignierend. »Ja, Meister«, murmelte er.
»Gut. Also, hier ist mein Empfehlungsschreiben an den Grafen. Er müßte mein Siegel erkennen. Sorge dafür, daß du es sicher in deiner Gürteltasche verwahrst; Adlige sind mißtrauische Menschen, und solange sie nicht
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