The Curse - Im Schatten der Schwestern (German Edition)
die Treppe hinunterstieg, sah er sich ein letztes Mal auf der Turmspitze um. Auch er war in dieser Nacht hier oben gestorben. Er war sich selbst ein Fremder, als er die Stufen hinabstieg, um dem Kampf, den Männern und dem Hass den Rücken zu kehren.
Ein einziger Gedanke hielt ihn aufrecht:
„Ich brauche dich, Sam! Rette mich! Bitte vergib mir und rette mich!“
Kapitel 34
Friedhof bei Auld a´chruinn, 2010
„Ich brauche dich, Sam!“, keuchte Payton und wischte sich mit schwacher Hand das Blut aus dem Mundwinkel. Sein Blick glitt zu den kahlen Ästen der Bäume. Wie Gerippe reckten sich ihm deren knorrige Zweige entgegen. Die ehemals bunten Blätter darunter waren nicht mehr als ein toter Teppich, der alles Leben unter sich begrub.
Seine Zeit war abgelaufen. Jeder Atemzug kostete ihn Überwindung, jagte unermessliche Schmerzen durch seinen gepeinigten Körper.
Er wollte sterben. Wollte keine Sekunde länger diese Qualen ertragen. Einzig der Gedanke an Sam hielt ihn am Leben. Wenn er ihr doch nur noch ein letztes Mal sagen könnte, wie sehr er sie liebte. Dass ihre Liebe jeden Schmerz, den er gezwungen war zu ertragen, wert war. Dann würde er seine Augen schließen und seine Seele dem Schicksal übergeben können – und vielleicht endlich Frieden finden.
Frieden – wie schön das klang. Langsam machte sich dieses Gefühl in ihm breit. Löste seine verzweifelten Gedanken von Sams Bild, drängte in sein Blut, flutete sein Gehirn.
Frieden. Er atmete aus, sah das letzte rote Blatt im Wind treiben, ehe es auf seiner Brust zum Liegen kam.
Frieden. Unendlich müde schloss er die Augen.
Kapitel 35
Zeit und Raum hatten keine Bedeutung mehr, allein meine unermessliche Schuld bedingte meine Existenz. Alles war anders gekommen, als ich oder Payton es gedacht hatten. All meine Bemühungen, die Vergangenheit nicht zu verändern, waren der Grund, dass jetzt alles so geschah, wie ich es aus Paytons Erzählung schon kannte.
Ich hatte dieses Unheil über Paytons Familie gebracht! Hatte den Tod des Schäfers, Ross, verursacht, Nathaira erkennen lassen, welche Gefahr Cathal drohte, und letztendlich mit meinem Brief Kyle in ihr Messer getrieben. Dies alles gipfelte in dem Fluch, dessen Zeuge ich nun werden würde, denn der nächste Blitz erleuchtete das Hochland vor mir taghell.
Castle Coulin thronte im Tal unter mir, und ich sah die Flammen, die aus dem Turm in den Himmel loderten. Das strohgedeckte Dach gab den Flammen Nahrung, und der Wind trug die Glut immer weiter.
Ich kämpfte mich auf die Beine, griff mir den Zügel von Kyles Pferd und klammerte mich Halt suchend daran fest.
Was hatte ich nur getan?
Wie zur Salzsäule erstarrt, beobachtete ich, wie ein einzelner Reiter im schnellen Galopp aus der Burg preschte. Payton! Trotz des schwachen Lichts der Flammen erkannte ich ihn sofort. Ohne zurückzublicken, ritt er davon. Sein Plaid wehte hinter ihm, als er sein Pferd immer weiter über die Ebene trieb.
Immer weiter fort von mir.
Dann, als würden alle meine Sinne überflutet, gab es nur noch das helle Licht, welches von der Frau auszugehen schien, die auf einem Hügel vor mir stand und ihre Hände in den nächtlichen Himmel hob.
Ein letzter gleißender Blitz zuckte herab, der Wind flaute ab, und die Wolken verschwanden ebenso schnell, wie sie heraufgezogen waren.
Reglos stand die alte Frau auf dem Bergkamm und blickte, wie ich, auf die Burg hinunter. Vanora, die Frau aus meinen Visionen – die Hexe der Fair Inseln, welche in dieser Nacht das Schicksal schrieb.
Zwei Reiter – Cathal und Nathaira – galoppierten auf sie zu. Obwohl sie immer näher kamen, ergriff Vanora nicht die Flucht, sondern wandte ihren Blick von der nahenden Gefahr ab und schien die dunklen Hügel hinter sich abzusuchen.
Unsere Blicke trafen sich, als gäbe es weder die Dunkelheit noch die Entfernung. Es gab nur sie und mich. Sie hatte mich erwartet. Das erkannte ich an dem Frieden und der Hoffnung in ihrem Blick, und wie schon einmal sprach sie zu mir, ohne ihre Lippen zu bewegen.
„Stelle dich deinem Schicksal. Entsinne dich der Liebe, die du in deinem Herzen trägst. Hab keine Angst. Das Blut wird dich schützen. Du bist ohne Schuld, aber dennoch schuldig. Schließe den Kreis“ , vernahm ich ihre Stimme in meinem Kopf.
Entsetzt sah ich zu, wie sie furchtlos die Arme öffnete und den Dolchstoß ihrer Tochter empfing, welcher ihrem Leben ein Ende bereitete.
Der schrille Schrei der Verzweiflung, welcher meiner Kehle
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