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The Dead Forest Bd. 1 Die Stadt der verschwundenen Kinder

The Dead Forest Bd. 1 Die Stadt der verschwundenen Kinder

Titel: The Dead Forest Bd. 1 Die Stadt der verschwundenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O'Brien Caragh
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fragte er und griff nach der Tasche auf dem Tisch.
    Sie machte eine Geste der Zustimmung, gerade so, als ob sie eine Wahl hätte.
    Sergeant Grey öffnete die Tasche und untersuchte sorgfältig jeden Gegenstand, den er herausnahm: den gedrungenen, dunkelblauen Teekessel aus Metall und die beiden dazugehörigen Tassen; in einem Tuch, das ihr Vater genäht und ihre Mutter aus ihren eigenen Medizinvorräten befüllt hatte, Ampullen und Fläschchen mit Pillen, Kräutern und Seren; dazu Zangen; eine Metallschüssel; Scheren; ein Satz Skalpelle; ein Messer; Nadel und Faden; eine Spritze; ein Nasensauger; das Tintenfässchen, das sie in der Eile nicht wieder bei den Kräutern verstaut hatte; und schließlich einen Ball rotes Garn.
    Dann kehrte er die Tasche von innen nach außen und untersuchte das Gewebe, jede Naht und jede Falte des braunen, grauen und weißen Stoffs. Gaias Vater hatte jeden Stich mit Liebe genäht an dieser Tasche, die schön war, fest und praktisch, und die bequem über Gaias Schulter passte. Die Tasche war wie ein Teil von ihr, und Sergeant Grey dabei zuzusehen, wie er ihr Gewebe und den Inhalt untersuchte, fühlte sich wie eine schmerzhafte Verletzung ihrer Privatsphäre an, umso mehr, als die Bewegungen seiner Finger äußerst bedacht und sorgfältig waren.
    Schließlich blieben seine Hände auf dem Stoff liegen, und er sah sie mit ausdruckslosem Gesicht an. Sie konnte nicht sagen, ob er erleichtert oder enttäuscht war.
    »Du bist jung«, sagte er.
    Seine Bemerkung überraschte sie, und sie sah keine Veranlassung, darauf zu antworten. Davon abgesehen könnte sie ihm dasselbe sagen. Er streckte sich, dann atmete er seufzend aus und begann, ihre Sachen zurück in die Tasche zu räumen.
    »Lasst gut sein«, sagte sie und trat an den Tisch. »Ich mache das schon. Ich muss meine Sachen sowieso reinigen.«
    Sie griff nach dem Tintenfässchen in seiner Hand, und als er es ihr nicht gleich gab, sah sie zu ihm auf. Ein Schimmer Kerzenlicht erhellte endlich seine Augen. Die Trostlosigkeit, die sie gespürt hatte, lag greifbar wie ein flacher, grauer Stein darin, wurde aber doch von einem Hauch von Neugierde eingefärbt. Einen Moment hielt sein abschätzender Blick ihren gefangen, dann legte er das schwere kleine Tintenfässchen in ihre Hand und trat zurück, weg von der Kerze.
    »Ich will wissen, was mit meinen Eltern ist«, sagte sie bemüht ruhig. »Wann werden sie nach Hause kommen?«
    »Das weiß ich nicht«, sagte er.
    »Kommen sie denn nicht bald wieder? Kann ich sie sehen?«, fragte sie. Warum hatte er das Versteckspiel aufgegeben und tat nicht länger so, als ob alles in Ordnung wäre?
    »Nein.«
    Jede seiner Antworten steigerte ihre Panik, aber auch ihre Wut, als ob Sand in ihrer Luftröhre nach oben stieg. »Warum nicht?«
    Er rückte die Krempe seines Huts über den Augen zurecht. »Du vergisst dich«, sagte er sanft.
    Sie brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass er sie für ihre Dreistigkeit zurechtwies. Er mochte höflich und rücksichtsvoll gewesen sein, solange das zweckdienlich gewesen war, aber er war ein Soldat der Enklave und hatte als solcher eine Macht über sie, die sie sich kaum vorstellen konnte.
    Sie senkte mit hochroten Wangen den Kopf und zwang sich, die ehrerbietigen Worte zu sprechen: »Vergebt mir, Bruder.«
    Er griff nach seiner Waffe, und sie hörte das Rascheln seiner schwarzen Jacke, als er sich den Gurt wieder über den Kopf streifte, sodass er schließlich diagonal über seine Brust verlief.
    »Solltest du unter den Dingen deiner Mutter irgendwo eine Liste, ein Verzeichnis oder einen Kalender finden, so wirst du sie unverzüglich und ohne Umschweife zum Tor bringen und um eine Audienz bei Bruder Iris ersuchen, bei niemandem sonst. Ist das klar?«
    »Ja, Bruder«, sagte sie.
    »Du wirst die Pflichten deiner Mutter übernehmen und der Enklave als Hebamme des dritten westlichen Sektors von Wharfton dienen. Du wirst die ersten drei Babys jedes Monats vorbringen. Jedes muss innerhalb von neunzig Minuten nach der Geburt zum südlichen Tor der Enklave gebracht werden.«
    Gaia trat einen Schritt zurück. Die Vorstellung, die Arbeit ihrer Mutter ohne ihre Anleitung fortzusetzen, war entsetzlich.
    »Willigst du ein?«, drängte er mit nun schärferer Stimme. Erschrocken blickte sie auf. »Ja, Bruder«, sagte sie.
    »Man wird dich entschädigen. Du wirst eine doppelte Wochenration Mycoproteine, Wasser, Kleider, Kerzen und Brennstoff erhalten. Man wird dir vierzehn Stunden die Woche

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