The Dead Forest Bd. 2 Das Land der verlorenen Träume
erledigt«, sagte Norris und ging wieder hinein.
Dankbar ließ sich Gaia auf den gepolsterten Stuhl sinken. Ihre Handgelenke und ihr Hals pochten wieder vor Schmerz, und am besten ging es, wenn sie einfach ganz stillhielt. Auf dem Dorfplatz bewegten sich Fackeln. In ihrem Licht sah sie Bärte und Hüte und Mistgabeln – die Männer kehrten zurück.
»Kriegen wir das hin?«, fragte sie Leon.
»Vielleicht – wenn keiner von denen das Mutterhaus niederbrennt.«
Genau davor hatte sie Angst.
»Peter sollte hier sein«, sagte sie. Wahrscheinlich waren die anderen Chardos gerade bei ihm.
Es waren nun mehr Männer denn je vor ihnen versammelt. Die Menge strömte bis ans Mutterhaus. Kinder, Großväter und Onkel drängten sich zusammen, saßen in Türen und Fenstern, auf Bäumen und selbst auf den Prangern, und es kamen immer mehr, fast zweitausend mussten es sein.
Auch Josephine und Dinah kamen zurück und brachten die Kinder mit. Mayas Augen leuchteten bei Gaias Anblick, doch als sie die Hand nach dem kleinen Mädchen ausstreckte, sagte Dinah: »Ich behalte sie bei mir. Kümmere du dich erst mal ums Geschäft.«
Sie hörten Gläserklirren und Gelächter aus der Menge.
»Trinken sie etwa?«, fragte Gaia.
»Ein paar schon«, erwiderte Leon.
Ein Reiter näherte sich langsam vom Dorfplatz her, und schließlich erkannte Gaia Peter im Fackelschein. Sein Vater und seine Onkel halfen ihm absteigen. Er hatte sich gewaschen und umgezogen, und auch wenn er abgezehrt wirkte und wacklig auf den Beinen, begegnete er ihrem Blick doch mit einem Lächeln. Er und Will trafen sich an der Treppe.
»Setz dich«, sagte sein Bruder und stellte einen zweiten Stuhl neben Gaias.
Peters Lippen hatten wieder etwas Farbe, und als er sich neben ihr niedersinken ließ, spürte sie einen Anflug von Nervosität.
»Hast du wirklich noch ihr Kind zur Welt gebracht?«, fragte er.
»Es war schrecklich.«
»Geht es dir gut?«
»Es wird mir besser gehen, wenn wir diese Wahl endlich hinter uns haben.«
Er griff nach ihrer Hand und schloss zärtlich die Finger darum. Sie sah die gleichen ringförmigen Wunden an seinen Gelenken wie an ihren. Ihr Herz tat einen Sprung, dann zog sie die Hand langsam weg. Er schaute sie fragend an.
»Ich glaube, etwas Händchenhalten haben wir uns verdient«, sagte er sanft.
Gaia blickte hoch zu Will, dann zu Leon. Sie befeuchtete die Lippen, dann sah sie wieder Peter an. Seine Augen waren so blau und geradeheraus wie immer, und die kleine Narbe in seinem Mundwinkel schien noch immer zu lächeln. Sie wusste gar nicht, wo sie anfangen sollte.
»Was ist?«
Es war schlimm genug, dass sie hier in aller Öffentlichkeit saßen, aber mit Leon und Will als Zuschauern brachte sie kein Wort heraus. »Leon«, sagte sie deshalb, »ich glaube, ich bräuchte ein paar Minuten mit Peter allein. Will, ginge das?«
Will zog sich zurück. »Kein Problem.« Er ging die Stufen hinab zu seinem Vater und dessen Brüdern und verschwand mit einem letzten Blick zurück in der Menge.
Leon schaute sie lange an, dann nickte er.
»Ich glaube, Norris kann etwas Hilfe gebrauchen.«
»Danke«, sagte sie.
»Was ist denn los?«, fragte Peter leise. Er klang nicht sehr glücklich.
Es gab keine Möglichkeit, es schön zu verpacken. Sie versuchte, nicht auf das Hämmern ihres Pulses zu hören. »Ich glaube, ich habe mich in Leon verliebt«, sagte sie.
Er erstarrte und ließ ihre Worte auf sich wirken. »Sag das doch nicht. Das kann nicht dein Ernst sein.«
»Es tut mir leid.«
»Wir waren gerade zehn Stunden am Pranger«, sagte er. »Vielleicht bist du verwirrt …«
Sie schüttelte kaum merklich den Kopf.
»Nein«, protestierte er, und sie sah die Qual in seinen Augen. »Was hat er getan? Ich glaube das nicht. Junge Gaia, da ist etwas zwischen uns. Du kannst nicht einfach sagen, dass da nichts wäre …«
»Ich weiß«, flüsterte sie. »Aber es ist nicht genug. Es reicht einfach nicht.«
Da sprang er von seinem Stuhl auf, und sie merkte, wie sich die Blicke auf sie richteten. Peter sah aus, als würde er gleich aus der Haut fahren.
»Es tut mir leid«, sagte sie wieder.
»Wann ist das passiert? Und wie?«, wollte er wissen.
»In der Hütte des Siegers.«
»Nachdem du und ich …« Er hielt inne und senkte die Stimme. »Nachdem ich verhaftet wurde?«
Sie nickte.
Er setzte sich wieder, schaute sie an, dann nahm er ganz vorsichtig ihre Hände in seine, drehte die Handflächen sanft nach oben und zeichnete mit den Fingern die
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