The Doors
als er den Film drehte. Davor hatte er Salvador , Platoon , Wall Street , Talk Radio und Born on the Fourth of July gemacht, Filme, die allesamt übertrieben waren, überzeichnet, überspannt – und beeindruckend. Stone war von seinem Platz in der Geschichte besessen, und er war davon besessen, sich und der Welt zu beweisen, dass er ein Teil der Geschichte war. Er meldete sich freiwillig zur Army, um in Vietnam zu kämpfen, weil er befürchtete, er könnte etwas verpassen – er könnte, wie der Kritiker Leslie Fiedler einmal über die 1930er-Jahre schrieb, »das mythische Leben seiner Generation« verpassen.
Anmerkung
Für Stone ist die Vergangenheit Gegenwart. Er war nicht persönlich zugegen, um zu verfolgen, was die Doors damals in den 1960er-Jahren veranstalteten, als sie, wie sein Film behauptet, das mythische Leben ihrer Generation auslebten: Er hörte ihre Musik in einer von der Geschichte gefilterten, verzerrten Form, das heißt, im Armed Forces Radio oder auf Bootleg-Tapes in Vietnam. Und der Film bestreitet, dass Stone dieses Leben verpasst hat – er bestreitet das so vehement, dass er sagt: Ich habe es nicht verpasst, im Gegensatz zu euch!
Das war das Gefühl, das die Werbekampagne für den Film verbreitete – mit unsagbar prätentiösen Zeilen, die in die Radiospots eingeblendet wurden, während im Hintergrund Doors-Musik dudelte: zuerst die düster-dräuende Ankündigung »The ceremony is about to begin« und danach der flammende Appell »We’ve gotta make the myths!«. Das war das Gefühl in den Interviews, die Stone gab, um den Film zu promoten. »Was kann dieser Film einem Neunzigerjahre-Publikum sagen?«, fragte er sich in einem dieser Interviews selbst und beantwortete seine Frage auch gleich selbst: »Freiheit. Hier und jetzt. Es gab sie einmal ... Doch nun erleben wir in diesem Land eine Wiederkehr des religiösen Fundamentalismus. Und Leute wie ich werden auf dem Scheiterhaufen landen.« Diesen Film zu machen, so wollte er einem zu verstehen geben, war ein heroischer Akt; er war bereit, dafür zum Märtyrer zu werden. Für sechs Dollar konnte man sich das ansehen. Der Film hätte einfach grässlich sein müssen. Stattdessen war er beängstigend.
An der Kinokasse standen meine Frau und ich mit Dutzenden von Leuten an, die Anfan bis Mitte zwanzig oder auch jünger waren. Wir fühlten uns deplatziert inmitten all dieser Teens und Twens, die sich etwas anschauen wollten, was wir uns in den 1960er-Jahren jedes Wochenende angeschaut hatten, und die sich offenbar mehr damit identifizierten als wir. Ich fragte mich, warum diese jungen Leute keine eigene Kultur hatten, mit der sie uns konfrontieren könnten. Ich spürte die Sixties, die ich hasse: etwas Unbeschreibliches, die letzten unausrottbaren Überreste einer Seuche, ein Virus ohne Gegenmittel, eine » Freiheit ... Es gab sie einmal «-Krankheit, die die Vergangenheit verklärte und die nachwachsenden Generationen daran hinderte, ihren eigenen Veitstanz zu entwickeln, ihr eigenes hemmungsloses Aufbegehren, und sie stattdessen zu einer Art kultureller Apathie verdammte, einer Schlafkrankheit. Warum bezahlte jemand dafür, um zu sehen, wie andere Leute frei sind? Warum bezahlte jemand dafür, um zu sehen, wie Leute frei sind, die schon seit Langem unter der Erde liegen? »All die National Lampoon-Parodien auf die Alternativkultur sind wahr geworden«, sagte Elvis Costello in einem Interview, das im selben Monat veröffentlicht wurde, in dem The Doors in die Kinos kam. »Diese ’ 60s Golden Protest Favorites kann man jetzt tatsächlich bekommen – eine historische Sicht, die die damalige Zeit total verfälscht. Wenn man damals fünfzehn oder sechzehn war, dann war das eine wahnsinnig aufregende Zeit, und wenn man die Magazine las, dann glaubte man allen Ernstes, dass es ’68 eine Revolution geben würde – und dann dieser Moment, als man merkte, dass das nicht geschehen würde. Jetzt gibt es die ›anerkannte‹ Version, die darauf hinausläuft, dass das Ganze so etwas wie ein netter Ausflug war, den die Leute unternahmen, ohne dass sie begriffen, was wirklich vor sich ging, und während der Amtszeit von Carter begannen sie, sich selbst zu bemitleiden, und nachdem Reagan ans Ruder gekommen war, wurden sie verbittert und egoistisch. Diese Vandalen verändern die Geschichte, sie manipulieren sie, noch bevor sie abgeschlossen ist.« Las man die Rezensionen, so hätte man von Oliver Stone nichts anderes erwarten dürfen.
Denke ich heute an die
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