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The Doors

The Doors

Titel: The Doors Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greil Marcus
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Doors – an die unzähligen Male, die ich ihr Debütalbum abgespielt habe, an die paar Male, die ich ihre späteren Alben abgespielt habe, an die Dutzend Male, die ich sie live auf der Bühne erlebt habe –, so erinnere ich mich vor allem an den aufregenden Kick, mich wie ausgewechselt zu fühlen, wie ein völlig anderer Mensch. Es war ein Gefühl, das Ian McEwan in The Innocent eingefangen hat, einem Roman, der mit dem Fall der Berliner Mauer endet. Darin beschreibt er, was ein junger Mann mehr als dreißig Jahre zuvor empfand, als er in Berlin zum ersten Mal »Heartbreak Hotel« hörte und der Song für ihn »nichts als Einsamkeit und Verzweiflung zum Ausdruck brachte. Seine Melodie kam auf leisen Sohlen daher, seine Düsterkeit wirkte auf komische Weise übertrieben ... Das Selbstmitleid des Songs hätte Leonard eigentlich zum Lachen bringen müssen. Doch es bewirkte etwas anderes: Er fühlte sich weltklug, tragisch, irgendwie größer.«
    Das wird in Oliver Stones Film nicht bloß gezeigt; es wird nicht einfach aufgezeichnet, gewürdigt, resümiert und dem Zuschauer in einer hübschen Verpackung präsentiert, mit einer Grußkarte, auf der zu lesen steht: » Freiheit ... Es gab sie einmal. Ich wünschte, du wärst dabei gewesen. « Es wird nicht präsentiert. Nein, es geschieht.
    Es geschieht in einem Nachtclub, zu einer Zeit, in der die Doors noch immer auf der Suche nach ihrer Musik sind; es geschieht in Konzertsequenzen, zu einer Zeit, in der Jim Morrison ein Star ist, dessen beste Musik anscheinend bereits hinter ihm liegt, zur Routine erstarrt ist – zu einer Zeit, in der die Doors kaum mehr als eine Band waren, die den Leuten einen Mythos von Freiheit verkaufte, so wie der Film, der in den Werbespots vorgestellt wurde, im Gegensatz zu dem Film, den man im Kino zu sehen bekam. Es war ein Mythos, der sie bereits einengte, der sie gewissermaßen daran hinderte, eine normale Popgruppe zu sein, deren einzige anerkannte, konkrete soziale Rolle darin bestand, einen weiteren Hit zu landen.
    Stellen Sie sich vor, wie es gewesen sein muss, »The End« zu machen! Der Song mochte damals auf komische Weise übertrieben wirken, und er mag auch heute noch so wirken, doch man kann hören, dass er die Leute, die ihn aufnahmen, dazu brachte, sich frei zu fühlen, als sie ihn aufnahmen – sich weltklug, tragisch, irgendwie größer zu fühlen. Man kann hören, dass er sie den Schrecken der Freiheit erahnen und sie trotzdem weitermachen ließ, Ton für Ton. »Es war beinahe ein Schock, als der Song vorbei war«, erzählte Paul Rothchild, der mittlerweile verstorbene Produzent der Doors, dem Rockkritik-Pionier Paul Williams kurz nach Erscheinen des Debütalbums der Doors. »Ich war wie gebannt. Damals befanden sich außer mir noch vier weitere Personen im Kontrollraum, und als der Take vorbei war, merkte keiner von uns, dass das Band noch immer lief.« Versuchen Sie, sich dieselben Leute ein oder zwei Jahre später vorzustellen, wie sie im selben Tonstudio »Hello, I Love You« aufnahmen, 1968 Nummer eins in den Charts, oder »Touch Me«, 1969 Nummer drei, zwei Songs, bei denen möglicherweise sogar die Monkees erblasst wären. Hits sorgen für ausverkaufte Hallen, aber die Leute kommen wegen des unmittelbaren Mythos – um zu sehen, wie jemand anders frei ist, auf der Bühne, direkt vor ihren Augen. Was bedeutet das für die Leute im Publikum oder für diejenigen, um derentwillen die Leute Eintritt zahlen? »Die Leute bezahlen dafür, um zu sehen, wie andere an sich selbst glauben«, schrieb die Sonic-Youth-Bassistin Kim Gordon 1983. »Vielleicht wissen die Leute nicht, ob sie das Erotische tatsächlich erleben können oder ob es bloß in der Werbung existiert; aber auf der Bühne, mitten im Rock ’n’ Roll, passieren viele Dinge, und es kann alles passieren – ob die Leute als Voyeure kommen oder ob sie kommen, um sich einfach dem Augenblick hinzugeben. Als Performer opfert man sich selbst, man zeigt die Posen und die Emotionen der Sexualität für all die Leute, die Eintritt zahlen, um sich das anzusehen – um sich davon zu überzeugen, dass es existiert.«
    In Oliver Stones Film, und im richtigen Leben, machten die Doors die Mythen und wurden auf der Stelle zu deren Opfer – so wie die Leute, die mehr als zwanzig Jahre später an der Kinokasse anstanden, um es passieren zu sehen. Bereits 1968 präsentierten die Doors auf der Bühne nicht Freiheit, sondern deren Verschwinden. Das ist das Beängstigende: die

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