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The Doors

The Doors

Titel: The Doors Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greil Marcus
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Freundin Pamela Courson, die mit den Köpfen auf und ab wippen, als wollten sie sich in Trance versetzen oder zumindest in den Song, der zurückhängt und sich nicht auf sie zu-, sondern von ihnen wegbewegt. Ein Mann steht allein am Geländer und raucht, während er nach unten schaut. In erhöhten Käfigen platzierte Go-go-Girls lassen die Hüften kreisen. Am vorderen Bühnenrand drängen sich Frauen unterschiedlichen Alters, allesamt ebenfalls gut gekleidet, und machen dem Sänger schöne Augen. Doch die Stimmung verändert sich, als die Band keine Anstalten macht, die Musik auf irgendeine konventionelle Weise fortzuentwickeln, als sie sich weigert, eine Veränderung, einen Break, einen Spannungsabbau auch nur anzudeuten. Überall im Raum spürt man eine Mischung von Erwartung und Vorahnung. Die Leute kennen die Rollen, die zu spielen man von ihnen erwartet, die Rollen, die zu spielen sie in den Club gekommen sind – der belustigte Szenegänger, das Möchtegerngroupie, der Hipster, der Fan, der Musikbusiness-Insider –, doch diese Rollen beginnen zu zerbröckeln.
    Jeder hat vor, sich nach der Show über das zu unterhalten, was er gerade gesehen hat, um es positiv oder negativ mit dem zu vergleichen, was er am Abend zuvor gesehen hat, doch niemand rechnet auch nur ansatzweise damit, dass er sich fortan nach etwas sehnen wird, wonach er sich vorher noch nie gesehnt hatte. Die Kamera schwenkt auf die Go-go-Girls in ihren Käfigen und zeigt, wie sie zu tanzen aufhören und sich umdrehen, um das Geschehen auf der Bühne zu verfolgen. Hinter den Frauen am vorderen Bühnenrand drängen sich nun leger gekleidete Personen mit strähnigen Haaren. An der Wand hinter ihnen stehen Leute und unterhalten sich, als wollten sie die von der Bühne kommende Musik nicht an sich heranlassen. Die Frauen direkt vor der Bühne bewegen sich noch immer, doch die sexuelle Begierde, die noch vor wenigen Minuten aus ihren Gesichtern gesprochen hat, ist nun verflogen. Die Kamera konzentriert sich auf einzelne Gesichter im Publikum, hebt sie aus der Menge heraus, und es liegt eine Anspannung in den Mienen dieser Leute, so als schauten sie sich ein Snuff-Movie an – als wüssten sie, dass ihnen das, was gleich kommt, nicht gefallen wird, aber als könnten sie ihren Blick nicht davon abwenden.
    In dieser langen Sequenz wird nichts forciert oder glorifiziert. Zwei ebenso denkwürdige Performance-Szenen in The Doors – zwei ebenso sorgfältig konzipierte und gefilmte Sequenzen – sind dagegen grob, überzeichnet, zu viel, und sie sind womöglich noch bezwingender. Das ist das, was Oliver Stone als einen Regisseur auszeichnet; wenn er den einfühlsamen Rowdy geben darf, ist er in seinem Element.
    Die erste dieser Sequenzen ist das sogenannte Feuer-Konzert. Die Band spielt auf einer von klassizistischen Säulen gesäumten Open-Air-Bühne. Im Hintergrund flackern Flammen, die zu hell sind, um eine Lightshow zu sein. Ein Stück seitlich vor der Bühne lodert ein riesiges Freudenfeuer; nackte Männer und Frauen tanzen darum herum. Während Kilmer singt, entdeckt er im Publikum eine schmächtige, unauffällige, aber verführerische Frau; die beiden tauschen ein oder zwei Blicke aus, und als Kilmer wenig später erneut zu der Frau hinschaut, ist ihre Kleidung verschwunden, wie durch einen heidnischen Zauber. Es ist ein verstörender Moment: Kilmer wird schlagartig bewusst, dass die Kräfte, die er entfesselt hat, einfach nur Münder sind, ein einziger hirnloser Schlund, der fressen will, egal, was.
    Diese Szene wurde in einem Wassertempel südlich von San Francisco gedreht, einem idyllischen, geisterhaften Ort an einer langen, schnurgeraden, unbeleuchteten, zweispurigen Bergstraße. Als Highschool-Schüler fuhren wir gelegentlich dorthin, um Bier zu trinken, um Songs zu singen, um zu sehen, ob wir unsere Autos auf 160 Sachen beschleunigen konnten, und ich erinnere mich noch an sechs Autoradios auf dem Parkplatz, die allesamt auf denselben Sender eingestellt waren. An diesem Ort sind die Doors nie aufgetreten, doch Oliver Stone inszenierte dort das Konzert, nach dem dieser Ort immer verlangt hatte und das die Band zu ihren Lebzeiten immer geben wollte. Diese Show vermittelt einem ein Gefühl von dem, was die Musik der Doors enthielt und wovor sich die Band mit »Hello, I Love You« und »Touch Me« zurückziehen musste: Chaos, Zerstörung, Vernichtung.
    In der gerade beschriebenen Szene triumphiert der Lärm; die zweite wechselt vom Lärm zur Stille.

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