The Doors
Vorstellung, dass die Sixties keine großartige, einfache, romantische Zeit gewesen sind, die man anderen als einen netten, besuchenswerten Ort verkaufen kann, sondern dass sie ein Ort sind, von dem die Leute schon zur Zeit seiner Erschaffung wissen, dass sie ihn nie wirklich bewohnen und ihm zugleich nie entkommen können.
Man könnte meinen, der Film sei allein deshalb gemacht worden, um ein paar Momenten, in denen diese Falle zuschnappt, Realität zu verleihen: Realität, nicht Bedeutung. Die Sixties – als Klamotten, Drogen, Sex, Stil, Politik, Kunst – erscheinen als eine Zeit und als ein Ort, wo die Leute leben, um Regeln zu brechen, von deren Richtigkeit sie überzeugt sind, hauptsächlich, um zu sehen, was dann möglicherweise passiert. Die Sixties sind eine Arena. Jim Morrison, ein verwirrter Typ, betritt diese Arena, weil sich dort die Action abspielt, und er wird zu einem neuen Menschen, zu jemandem, den er nicht mehr wiedererkennt. Ein paar Jahre später spaltet er sich auf der Bühne in zwei Personen auf: Der alte Morrison betrachtet den neuen, so wie irgendein Fan im Publikum. Wenn der neue Morrison das Publikum betrachtet – das Publikum, das schon seit Langem weiß, was es, wie selbstverständlich, von ihm erwartet –, dann hört er in seinem Kopf eine Zeile aus einem Song, der ein paar Jahre zuvor – war es erst vor zwei Jahren oder vielleicht auch erst im letzten Jahr? – herausgekommen ist: »Now people just get uglier, and I have no sense of time.«
In The Doors , in einer langen, einfühlsamen Dramatisierung der ersten vollständigen Performance von »The End« im Whisky à Go Go im Jahr 1966, sieht man den neuen Morrison und, im Publikum, Leute, die ebenfalls darauf aus sind, ihre bisherige Identität abzustreifen und zu neuen Menschen zu werden. Auf der Bühne bewegt sich die Band langsam durch die ersten Takte des Songs: Kyle MacLachlan als Ray Manzarek, Frank Whaley als Robby Krieger, Kevin Dillon als John Densmore, alle perfekt, und Val Kilmer als Jim Morrison, mehr als perfekt.
Es gibt viele Szenen, in denen er zeigen kann, was er als Schauspieler draufhat, und er macht das sehr subtil. In seiner ersten Filmrolle, in Top Secret!
Anmerkung
, wird Val Kilmer als der Geheimagent Nick Rivers, ein Schönling mit orange gefärbten Haaren, von uniformierten kommunistischen Schergen in die Mangel genommen. Als er das Bewusstsein verliert, sieht er sich durch den Korridor einer Highschool hasten. Er spricht einen Mitschüler an. »Weißt du, in welchem Raum die Chemie-Abschlussprüfung stattfindet?«, fragt er ihn. »Die Prüfungen sind doch alle schon gelaufen«, antwortet der Schüler roboterhaft. »Bist du nicht im Unterricht gewesen?« »Nein, ich ...« »Aber es ist das Ende des Semesters«, sagt der Junge aus der Twilight Zone, der nun offenbar das Interesse verliert. Kilmer steht die Angst im Gesicht geschrieben. »Nein«, sagt er. »Nein. Ich habe nicht gelernt! Ich kann nicht glauben, dass ich wieder in der Schule bin ...« Als er wieder zu Bewusstsein kommt, hängt er in der Folterkammer an seinen gefesselten Händen von der Decke herab, und zwei Schlägertypen prügeln auf ihn ein. Er beginnt über beide Backen zu strahlen: »Gott sei Dank!«, sagt er.
Eine Szene wie diese verlangt von dem Schauspieler, dass er in jedem Moment etwas zurückhält. Als Schauspieler muss er immer einen Schritt hinter dem Publikum zurückbleiben; als eine Filmfigur, die das Drehbuch nicht gelesen hat, muss er immer einen Schritt hinter sich selbst zurückbleiben. Auf der Bühne des Whisky à Go Go wartet Kilmer hinter seinen Worten, während er sie singt; er wird ihnen folgen, Schritt für Schritt, doch beim Singen erweckt Kilmer den Eindruck, dass er nicht weiß, wohin die Worte ihn führen, und dass ihn das nicht kümmert. Man hat nicht das Gefühl, dass sich das Tempo jemals ändern wird; die Spannung resultiert aus einem Konflikt zwischen dem Eindruck, dass nichts passiert, und dem Gefühl, dass jederzeit buchstäblich alles passieren kann.
Die Kamera fährt durch das Publikum, wobei ihr Auge durch einen Rotfilter blickt. An den Tischen im Erdgeschoss sieht man gepflegt aussehende, gut gekleidete Männer und Frauen sitzen. Als die Kamera zur Empore hinaufschwenkt, begleitet von den Stoptime-Breaks des Schlagzeugs und vom hypnotischen Sound der Orgel – ein Sound, den die Doors 1967 mit Velvet Undergrounds »Heroin« teilen werden –, sieht man dort Frauen, darunter Meg Ryan als Morrisons
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