The Elder Races 05 - Das Versprechen des Blutes
Bösen auseinandergegangen, und hatten sich nach einer frühmorgendlichen Konfrontation, die wenig später auf einer Wiese stattgefunden hatte, nicht mehr gesehen.
Natürlich hatte Dragos die Neuigkeiten gehört. Er wusste, dass Carlings Quarantäne erfolgreich zu Ende gegangen war und dass sich Rune und Carling in Miami niedergelassen hatten. Auch wusste er, dass sich in Florida nach und nach helle Köpfe und Talente zusammenfanden – das Orakel, das vorher in Louisville gelebt hatte, eine hochintelligente Meduse, die in der medizinischen Forschung tätig war, und ein Jurist mit scharfem Verstand aus einer der führenden Kanzleien von San Francisco sowie einige weitere – so viel angehäuftes Talent, dass bereits ein leises Befremden durch alle sieben Reiche ging. Dragos wusste auch, dass die anderen Wächter weiterhin mit Rune in Kontakt standen, und er verbot es ihnen nicht.
Er hatte auch Rune und Carling nicht verboten, das Reich der Wyr zu betreten, daher hätte es ihn nicht überraschen sollen, dass sie die Wächterspiele besuchten.
Seltsame, wirre Gefühle ergriffen ihn. Er verspürte den Drang, seine Gestalt zu verwandeln und anzugreifen, und gleichzeitig war da etwas Schwereres, etwas wie Traurigkeit oder Bedauern.
Vielleicht war es auch das Gewicht der vielen Jahre, die sie als Partner zusammengearbeitet hatten, Jahre, die an ihnen vorübergezogen und zu Jahrhunderten geworden waren. So viel hatten sie gemeinsam erreicht. Über einen sehr langen Zeitraum hatten ihre unterschiedlichen Charaktere und Begabungen das jeweils Beste im anderen hervorgebracht, sodass Dragos Rune eines Tages als seinen besten Freund bezeichnet hatte.
Vielleicht war es die Last der Worte, die keiner von ihnen gesagt hatte. Worte wie »Tut mir leid« und »Wie geht’s dir?« Und: »Du hättest verdammt noch mal früher etwas sagen können.«
Und ganz besonders: »Du hast das Reich im Stich gelassen – UNSER WERK –, und das für eine Frau.«
Nicht für irgendeine Frau. Eine frühere Königin der Nachtwesen, ehemalige Rätin im Tribunal der Alten Völker, Anhängerin des machiavellistischen Denkens und gelegentliche Verbündete der Wyr. Die einzige Frau auf der ganzen Welt, der Dragos als Gefährtin seines Ersten nie voll und ganz würde trauen können.
Was bedeutete, selbst wenn Rune es wollte, könnte Dragos ihn nie wieder als einen seiner Wächter arbeiten lassen.
All diese Worte und noch viele mehr steckten unausgesprochen in seiner zugeschnürten Kehle, weil er selbst nämlich genau das Gleiche getan hätte, wäre es um ihn und Pia gegangen. Ohne jede Frage. Für sie hätte er alles und jeden verlassen, und vielleicht würde er das in den vielen Jahren ihrer unbekannten Zukunft noch tun. Wenn es sein musste, würde er sich für Pia von dem abwenden, was sein Lebenswerk geworden war – dem Wyr-Reich –, und er würde nicht eine Sekunde zögern und kein einziges Mal zurückblicken.
Verfluchte Götter.
Mit seinen ruhigen Löwenaugen sah Rune ihn an.
Dragos merkte, dass er das Mikrofon in seinen geballten Fäusten zerbrochen hatte; zwanzigtausend Zuschauer waren verstummt.
Knapp, kaum merklich, nickte er seinem ehemaligen Ersten zu. Er wusste, dass Runes scharfe Augen es trotz der Entfernung gesehen hatten. Der Greif erwiderte das Nicken.
Dann wandte sich der Lord der Wyr an sein wartendes Volk.
Er ließ seine Stimme so laut erschallen, dass sie durch die ganze Arena trug.
Kein Redenschreiber hatte seine Worte formuliert. Was er sagte, war ungeschliffen und direkt und wurde live im Fernsehen übertragen.
»Vor langer Zeit habe ich euch ein Versprechen gegeben. Ich habe gesagt, es würde ein Gesetz in diesem Reich geben, und ich habe gesagt, es würde gerecht sein. Denjenigen unter euch, die sich nicht selbst schützen können, habe ich meinen Schutz zugesichert. Als Resultat ist das Wyr-Reich noch immer eines der stärksten Reiche aller Alten Völker, und die Wächter sind ein wesentlicher Teil dieses Versprechens.
Vor sechs Monaten habe ich den Aufruf gestartet, und Wyr aus der ganzen Welt sind ihm gefolgt. Jeder Kandidat, der in dieser Arena kämpfen wird, ist aus freien Stücken hier, und das gilt auch für meine derzeitigen fünf Wächter, die bereits seit sehr langer Zeit in euren und meinen Diensten stehen. Anlässlich dieser Spiele hätten sie die Gelegenheit ergreifen können, sich ehrenhaft zur Ruhe zu setzen. Keiner von ihnen hat sich dafür entschieden.
Alle anderen Kandidaten haben wir
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