The Lost
hinübergeschleift hatte, so dass sie nun direkt vor ihren Füßen lag; der Knall kam von ihrem Kopf, der auf den Boden geknallt war. Instinktiv zog sie die Füße unter den Stuhl, wie zum Schutz vor etwas Schmutzigem, Vergiftetem, das sich auf sie zubewegte, zum Schutz vor dem, was er tat; Ray riss der Frau die Knöpfe von der Bluse, zog ihr den Rock bis zu den Oberschenkeln und schnitt ihren BH durch, während sie fast am eigenen Blut erstickte. Sie starrte zur Decke und hustete ihm einen feinen Schwall Blut ins Gesicht, das er mit dem Handrücken wegwischte. Dann schlitzte er ihr Höschen auf, und Jennifer schloss ein zweites Mal die Augen.
Sie musste es tun.
Ihr wurde schlecht. Gleich würde sie sich erneut übergeben.
Sie wusste, was sie mit Sharon Tate getan hatten.
Sie hatten ihr das Baby aus dem Bauch geschnitten.
Und das war es, was Ray vor sich hin murmelte, das und all die anderen grauenvollen Dinge, die sie der Schauspielerin angetan hatten; mit sanfter, tonloser Stimme sprach er davon, ihr die Titten abzuschneiden und ihr Worte in den Bauch zu ritzen und mit Blut etwas an die Wand zu schreiben. Damit die anderen was zum Nachdenken hatten. Danach würde er das Baby herausschneiden und es ihr in den Schoß legen, ihr die Nabelschnur um den Hals wickeln und ihr befehlen, um ihr Baby zu betteln. Während er das sagte, stach er unzählige Male auf sie ein, immer wieder. Sie hörte die ersterbenden Schreie aus der Kehle der Frau, hörte die schmatzenden Messerstiche, roch das Blut, das wie in einem Schlachthaus die Luft erfüllte, hörte es auf den Boden prasseln wie dicke Regentropfen und malte sich aus, wie sich um ihre Füße eine Lache bildete.
Bitte, hör auf, du musst damit aufhören! , dachte sie, sie würde noch verrückt, wenn er nicht aufhörte, ja, das würde sie, das würde passieren, denn was sie da mitanhören musste, trieb einen unweigerlich in den Wahnsinn. Doch dann hörte sie zwei Schritte, einen lauten Knall und zerberstendes Glas, und sie riss die Augen auf und sah, dass Sally über ihm stand. Ihr lief Blut über die Wange, in den Händen hielt sie den Sockel und die zerbrochenen Schirmreste einer weißen Porzellanlampe. Sie sah, wie Ray, mit Scherben und feinem Glasstaub bedeckt, über den glänzenden nackten Körper zu seinen Füßen stolperte und den Arm ausstreckte, um sich am Boden abzustützen. Und als sie sah, wie seine Hand auf dem blutverschmierten Parkett wegrutschte und er schmerzhaft mit dem Ellbogen aufschlug, verspürte sie einen Anfall wilder Schadenfreude.
»MISTSTÜCK!!!«, brüllte er und zog den Revolver aus seinem Gürtel; das Gewehr auf seinem Rücken schlug klappernd gegen den Boden, als er sich herumrollte, trotzdem trat Sally einen Schritt auf ihn zu. Jennifer sah, dass sie schreckliche Angst hatte, sich ihm zu nähern. Aber sie tat es trotzdem. Sie tat es trotzdem und stieß ihm den gezackten Lampensockel mit voller Wucht ins Gesicht, traf Stirn und Wange, so dass man die Knochen splittern hörte, und plötzlich schrie er und blutete. Jetzt war Ray derjenige, der blutete, nicht jemand anderes, er blutete an der Stirn und im ganzen Gesicht. Jennifer riss die Beine unter dem Stuhl hervor und trat ihm mit aller Kraft an den Hinterkopf.
Dabei wäre sie beinahe mit dem Stuhl umgekippt. Aber das war ihr egal. Ihm einen Tritt zu verpassen fühlte sich gut an. Es war großartig!
Sie sah, wie er nach vorne auf die zerfleischte Frauenleiche fiel und nun Gesicht an Gesicht auf ihr lag; einen Moment lang starrte Ray ihr in die offenen toten Augen und in den Mund, bevor erneut die Lampenreste auf ihn herabsausten, denn Sally war noch nicht fertig mit ihm, noch lange nicht. Doch plötzlich schnellte seine Hand nach oben und packte den Lampensockel, riss ihn fort und schleuderte ihn quer durchs Zimmer, während er sich taumelnd aufrappelte. Sie sah, wie Sally zurückwich und sich nach einem anderen Gegenstand umsah, den sie als Waffe benutzen konnte, aber es gab hier nichts außer Kartons und Stühlen. Und dann hatte er den Revolver in der Hand, zielte auf sie und bereitete aller Tapferkeit und jedem Widerstand ein Ende.
In der nachfolgenden Stille hörte sie zwei Frauen aufschreien, eine dissonante zweistimmige Harmonie. Und eine der beiden Stimmen war ihre.
45
Katherine
Können Tote träumen?
Katherine tat es.
Sie träumte, sie wäre in der Werkstatt ihres Vaters und täte das, was weder ihr noch Etta gestattet war.
Sie machte sauber.
Allerdings nicht mit dem
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