The Lost
nicht allzu wütend. Er war sich nicht sicher.
»Es geht doch bloß ums Kiffen, Dad. Mann! Ich nehm doch kein Heroin oder so.«
»Hör mal, ich habe das Zeug nie geraucht. Ich habe keine Ahnung, was für eine Wirkung das hat, und ich will es auch gar nicht wissen. Ich weiß nur, dass du dir womöglich dein ganzes Leben verbaust, wenn man dich nochmal damit erwischt. Und sollten sie dich einziehen, könnte das dein Leben beenden. Ich liebe dich, verdammt nochmal. Deine Mutter liebt dich. Deine kleine Schwester ist verrückt nach dir. Was meinst du, wie Barb sich fühlen würde, wenn du eines Tages in einem Leichensack nach Hause zurückkehrst. Ihr großer Bruder? Mensch, Will!«
»Okay, Dad. Ist ja gut. Okay.«
Es gab nichts zu tun, außer einen Moment lang die Stille wirken zu lassen. Er hatte alles gesagt.
»Tu das Richtige, Sohn. Mach keinen Fehler. Dafür ist später noch genug Zeit, wenn du mit der Schule fertig bist.«
»Okay, Dad. Ich hab verstanden.«
Schilling fragte sich, ob er ihn wirklich verstanden hatte. Er hatte so seine Zweifel. Er wünschte, er wäre mit Will im selben Zimmer, um zu sehen, ob seine Worte irgendeine Wirkung hatten. Er war wütend auf sich, war frustriert. Plötzlich verspürte er den Drang, das Gespräch augenblicklich zu beenden, bevor er etwas sagte, das er später noch bereuen würde.
»Ist deine Schwester da? Hol sie bitte mal ans Telefon, ja?«
»Sie hat ein paar Freundinnen zu Besuch.«
»Ich werde sie nicht lange stören. Hol sie mal. Und denk bitte über unser Gespräch nach, Will.«
Er hörte ihn rufen. Es freute ihn, dass Barb Besuch hatte, dass sie mehr Kontakt zu anderen Kindern hatte als damals in New Jersey. Sie brauchte das. Ein scharfer Verstand war nicht alles. Freunde waren auch wichtig.
Nach einer Weile ertönte aus dem Hörer eine weitere körperlose Stimme. Diese war hell und kindlich.
»Daddy?«
»Hallo, Kleines. Wie geht es dir?«
»Mir geht’s gut, Daddy. Ich habe Linda und Suzy zu Besuch. Mama hat erlaubt, dass sie zum Abendessen bleiben. Wir arbeiten an einem Projekt für den Bio-Unterricht. Kommst du uns bald mal besuchen?«
»Ja, bald«, sagte er. »Hoffe ich. Was ist das denn für ein Projekt?«
»Wir bauen einen nachgemachten Dschungel. Wir haben dieses große Schildkröten-Terrarium, weißt du? Erst haben wir die Schildkröten rausgenommen, den echten Sand und das Moos und so haben wir dringelassen, und jetzt basteln wir aus Pappe und Pfeifenreinigern ein paar Bäume und Büsche und Sträucher und malen sie an. Wenn wir damit fertig sind, stellen wir sie rein und kleben sie ans Glas, damit es wie ein richtig dichter Dschungel aussieht. Außerdem basteln wir einen kleinen Teich mit Felsen drumrum, und dann kommen die Schildkröten wieder rein, so dass sie wie Riesen -Schildkröten aussehen, in einem prähistorischen Dschungel oder so. Ungefähr so wie der Dschungel in King Kong. Unsere Lehrerin sagt, dass es gar nicht wie in echt aussehen muss.«
»Klingt lustig.«
»Ja, macht Spaß. Aber jetzt muss ich wieder zurück, Daddy. Linda macht alles falsch, wenn ich nicht dabei bin.«
»Okay. Dann behalt Linda besser im Auge. Gibst du mir nochmal deine Mutter, ja? Ich hab dich lieb, Kleines.«
»Ich dich auch, Daddy.«
Erneut herrschte Stille. Aber nur für einen Moment. Offensichtlich stand Lila direkt neben dem Telefon.
»Und, was meinst du?«
»Ich bin mir nicht sicher. Keine Ahnung, ob ich zu ihm durchgedrungen bin.«
»Gott, ich hoffe es. Auf mich hört er ja nicht. Zu mir ist er nur noch patzig, als wäre alles meine Schuld. Entweder das oder er stellt auf Durchzug.«
»Hör mal, Linda, ich weiß, das ist normalerweise nicht deine Art, aber du kannst mich gerne anrufen. Jederzeit. Ich wünschte, du hättest dich gestern gemeldet, als die Sache passiert ist. Er ist auch mein Sohn, und mir liegt viel an ihm. Du musst dich damit nicht alleine herumschlagen. Wenn du darüber reden möchtest, ruf mich an. Auch während der Arbeit. Das macht mir nichts aus. Versprichst du mir das?«
»Ich … sicher, in Ordnung. Aber ich werde dich nicht auf der Arbeit anrufen. Ich weiß, wie sehr du das hasst.«
»Ich meine es ernst, Lila. Jederzeit, auch auf der Arbeit. Das macht mir inzwischen nichts mehr aus.«
»Das glaubst du ja selbst nicht, Charlie. Aber danke für das Angebot. Ich melde mich.«
»Versprochen?«
»Versprochen.«
»Okay.«
Der Drang, ich liebe dich zu sagen war genauso stark wie bei seinen Kindern. Wahrscheinlich sogar
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