The Lost
sie die Sache glatt versauen und ihn hier draußen zurücklassen, so dass er alles allein regeln musste.
Das ganze Zeug war voll mit seinen Fingerabdrücken. Sie mussten es auf den Müll werfen. Und dafür benötigten sie den Wagen.
Scheiße!
Du Schlampe, dachte er. Warte nur, bis ich dich in die Finger kriege. Diesmal brauche ich kein Gewehr. Du wirst dir wünschen, du wärst längst tot.
Er dachte wieder an die vielen Fingerabdrücke und daran, was er alles angefasst hatte. Doch plötzlich fiel ihm der Rucksack mit dem Block und dem Kugelschreiber ein. Und da wusste er, wie er Tim und Jen mitteilen konnte, was sie tun sollten, ohne es ihnen persönlich zu sagen. Er stürzte zum Rucksack hinüber, riss ihn auf, holte Block und Kugelschreiber heraus und schrieb in großen Buchstaben BLEIBT HIER! auf den Zettel. Dann klemmte er den Block so in den aufgestellten Rucksack, dass er nicht umfallen konnte. Anschließend holte er die batteriebetriebene Laterne, schaltete sie ein und strahlte damit den Block an. Er war jetzt nicht mehr zu übersehen, wenn man nicht völlig blind war. Als Letztes hob er das Gewehr auf, denn man konnte nie wissen, was einen erwartete. Am liebsten wollte er das Miststück tottreten oder ihr mit bloßen Händen das Leben aus dem Leib prügeln. Aber vielleicht würde er sie erst mit einer Kugel zu Fall bringen müssen, diese durchtriebene Lesbenfotze. Und dann rannte er ihr hinterher.
TEIL EINS
»Mary McGrory sagte mir, wir würden nie wieder
lachen. Ich hab gesagt: ›Du lieber Himmel, Mary.
Natürlich werden wir wieder lachen.
Wir werden bloß nie wieder jung sein.‹«
– Daniel Patrick Moynihan, November 1963
1
Freitag, 1. August 1969 • Die Katze/Schilling
Die Katze wich vor Charlie Schillings Füßen zurück, als dieser über den Parkplatz auf Panik’s Bar and Grille zuging. Sie war zwei Jahre alt, hatte bernsteinfarbene Augen und ein pechschwarzes Fell, abgesehen von dem weißen Fleck neben ihrer Nase, den weißen Pfoten und einem weiteren hellen Fleck am Bauch. Sie war hungrig, aber das war sie fast immer, seit ihre Besitzer, ein frisch verheiratetes Pärchen aus Hopatcong, sie vor drei Monaten nach Sparta gefahren und in der stillen Straße hinter Paul’s Delicatessen ausgesetzt hatten und davongebraust waren. Die neugeborene Tochter des Pärchens hatte eine Katzenhaarallergie. Doch die Katze wusste nichts von Allergien, sondern nur, dass sie mal wohlgenährt gewesen war, es warm gehabt hatte und nette Menschen sich um sie gekümmert hatten. Jetzt hingegen war sie ganz allein, nachts fror sie, und meistens knurrte ihr der Magen. Sie wich vor Schillings Füßen zurück, weil er ein großer, unbekannter Mann war, und große unbekannte Männer hatten schon öfter nach ihr getreten.
Doch Schilling hätte nicht mal im Traum daran gedacht, der Katze irgendwas anzutun, erst recht nicht an einem Tag wie diesem.
Er trat in das gelbliche Halbdunkel der Bar; wie üblich hockte Ed Anderson am Ende des Tresens vor einem Budweiser und unterhielt sich mit Teddy Panik, dem Besitzer der Bar. Es war halb fünf, Happy Hour, und Ed hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, den Laden erst um achtzehn Uhr zu verlassen, wenn die Happy Hour vorüber war. Ed nannte das: eine Sitzung abhalten. Mit seinen zweiundfünfzig Jahren hatte er noch kein einziges Mal an einer richtigen geschäftlichen Sitzung teilgenommen. Diesen Umstand zu begießen war genau das, worauf es ihm ankam.
Schilling ging an Dave Lenhart und Phil Preston vorbei und grüßte Billy Altman, Sam Heinz und Walter Earle, die ihr Gespräch darüber, ob Willie Shoemaker mehr Geld machte als Lew Alcindor, unterbrachen und den Gruß erwiderten. Dann setzte er sich auf den Barhocker neben Ed. Wie immer schenkte Teddy ihm einen Whiskey mit Sodawasser ein. Sowohl der Barbesitzer als auch Ed kannten Charlie gut genug, um zu wissen, dass etwas nicht stimmte. Also ließen sie ihn eine Weile in Ruhe, bevor sich Ed schließlich ein Herz fasste.
»Sie ist gestorben«, erklärte Charlie.
»Wer?«
»Elise Hanlon. All die Jahre an den lebenserhaltenden Maschinen und jetzt das. Sie haben mich um kurz nach zwölf im Department angerufen.«
»Scheiße, Mann. Tut mir leid, das zu hören, Charlie.«
»Das letzte Mal habe ich sie vor einem Monat besucht, und da sah sie schon aus wie eine Tote. Nur Haut und Knochen. Aber sie wollte einfach nicht sterben. Oder die Ärzte ließen sie nicht sterben. Noch einen, Teddy.«
»Klar.«
Er starrte auf das
Weitere Kostenlose Bücher