The New Dead: Die Zombie-Anthologie
geboten ist. Es kam zu einem Gespräch mit meinem Chef, der sich wie ein Riesenarschloch aufführte, auch wenn ich zugeben muss, dass er in diesem Fall wahrscheinlich recht hatte. Alles um mich herum brach allmählich auseinander, und ich musste versuchen, das zu verhindern.
Die Pine Box besaß eine passwortgeschützte Website. Man erhielt das Passwort für die Site beim Club und das Passwort für den Club auf der Site. Die Passwörter wurden etwa alle zwei Wochen geändert. Ein cleveres System, um einerseits den Kreis der Eingeweihten klein zu halten und andererseits dafür zu sorgen, dass die Stammkunden immer wiederkamen.
Ich wurde Stammkunde und kam immer wieder, denn ich musste herausfinden, woran Maisie sich erinnern konnte.
Beinahe jedes Mal, wenn ich in den Club ging, traf ich auf Ryan. Es war nicht so, dass wir Freunde oder Ähnliches waren, denn ich konnte ihn nicht ausstehen und hielt ihn für ein Arschloch, aber das musste er ja nicht unbedingt erfahren. In Wahrheit brauchte ich ihn oder so jemanden wie ihn, um mir den Weg durch diese abartige Welt zu zeigen. Wenn ich dafür nicht mehr tun musste, als ihm ein paar Drinks zu spendieren und so zu tun, als würde ich über seine Witze lachen, war ich bereit, dafür auch etwas einzustecken.
Er stand auf Reanimierte. Das war zwar ziemlich offensichtlich, aber er stand nicht nur in etwas unheimlicher sexueller Hinsicht auf sie. Es war das ganze Paket, und er fuhr in der gleichen Weise darauf ab wie einige Leute auf Hitler oder den Amerikanischen Bürgerkrieg. Er liebte genau jene Informationsquellen, mit denen die meisten Leute nichts zu tun haben wollten, und las die einschlägigen Bücher, Blogs und wissenschaftlichen Artikel. Er mochte Fakten, Daten, Statistiken und verborgene Historien.
Für gewöhnlich saßen wir an der Bar mit halbnackten toten Frauen, die um uns herumtanzten, und Ryan redete unaufhörlich über die Geschichte der Reanimation. Einiges davon war mir schon bekannt, von anderem wiederum hatte ich noch nie zuvor gehört.
„Bist du schon so alt, dass du dich noch daran erinnern kannst, wie es gelang, von Seelen, die den Körper verlassen, die ersten Aufnahmen zu machen?“, wollte er wissen. „Du bist wohl etwas jünger als ich. Ich war sechs. Es war unglaublich.“
Ich war zu jung, um mich daran zu erinnern, doch wir hatten alle die Bilder und einige Dokumentarfilme im Spätprogramm gesehen. Die ersten Aufnahmen waren einem Absolventen des MIT gelungen, der seinen sterbenden Großvater mit einer im Krankenzimmer aufgestellten Spezialkamera filmte. Als die Bilder zum ersten Mal veröffentlicht wurden, glaubte jeder an einen makabren Scherz, doch dann stellte man fest, dass sich der Vorgang beliebig wiederholen ließ. Plötzlich wussten die Leute, dass die Seele tatsächlich existierte und den Körper beim Eintritt des Todes verlässt. Unsere Ansichten änderten sich … über den Tod, das Leben nach dem Tod, Leichen, alles, was damit zu tun hatte. In gewisser Weise veränderte sich die Natur der Menschheit. Wir definierten uns über unsere Sterblichkeit, doch wenn diese Sterblichkeit ernsthaft infrage gestellt wurde, konnte niemand mehr wissen, was wir wirklich waren.
„Trotzdem war es der größte Scheiß“, sagte Ryan. „Keiner wusste, wohin die Seele ging, oder? Vielleicht steigt sie ja hoch in die Wolken und verschwindet oder verwandelt sich in Regen oder was auch immer. Kann sein, dass jeder in ewiges Leiden hinüberwechselt, das noch schrecklicher ist als alles, was wir uns vorstellen können. Man kann es nicht wissen, aber all diese Arschlöcher hatten die Vorstellung, ihnen seien die Engel, Harfen und himmlischen Chöre sicher, und damit stand die Tür für all das hier offen. Seelenfotografie gab es ab 1973, und schon 1975 erschien die erste Generation von Reanimierten auf dem Markt.“
„Das hat mich schon immer gewundert“, sagte ich. „Sie haben nur zwei Jahre gebraucht, um herauszufinden, wie man aus Toten Reanimierte macht.“
„Das liegt daran, dass sie es bereits wussten. Willst du wissen, was sie dir in der Sonntagsschule vorenthalten haben? Die Technikwurde eigentlich schon während des Zweiten Weltkriegs von den Nazis entwickelt. Sie planten eine gewaltige Offensive, bei der sie die Alliierten mit einer Armee von Toten überwältigen wollten, doch zum Glück war der Krieg zu Ende, bevor sie die Chance dazu hatten. Die Amerikaner kannten dieses Geheimnis seit Jahren, doch sie wussten auch, dass sie niemals
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