The New Dead: Die Zombie-Anthologie
hatte das Gefühl, als wäre mir der Boden unter den Füßen weggezogen worden. Wollte Ryan damit andeuten, dass er über mich und Maisie Bescheid wusste? Wie konnte so etwas möglich sein? Und wenn er es wusste, na und? Wir waren beide begeistert von diesem kranken, beschissenen Reanimiertenkram, oder? Und was noch viel wichtiger war, er hatte einen neuen Gedanken ins Spiel gebracht: Hier wurden Reanimierte verkauft.
Maisie kaufen … Das schien zu schön, um wahr zu sein. Es war, als ob alle Sterne am Himmel stünden, um mir mein Leben zu erleichtern oder mir zumindest einen Ausweg aus meinen unerträglichen Schwierigkeiten aufzuzeigen. Hier wurden Reanimierte verkauft, und vielleicht wären sie ja bereit, Maisie abzustoßen.
Ryan musste meine Nachdenklichkeit bemerkt haben. Er lachte. „Bevor du etwas Unüberlegtes tust und sie gleich kaufst, solltest du die Ware vielleicht erst einmal testen.“
„Die Ware testen?“
Er nickte. „Kostet nur hundert Dollar. Sie haben Zimmer da hinten, und du bekommst eine ganze Stunde. Du kannst dir ein beliebiges Mädchen aussuchen. Wenn sie sich auf der Bühne befindet, ist sie zu haben, aber wenn du in Erwägung ziehst, diese da zu kaufen, solltest du sie vorher prüfen.“
Ich schaute zu Maisie hinüber. Während sie sehr langsam an einer Stange tanzte, sah sie mich an. Die Vorstellung, Sex mit ihr zu haben, mit irgendeiner von ihnen, stieß mich ab. „Vergiss es“, antwortete ich.
„Mach es nicht gleich schlecht. Wenn du noch nie mit einer Reanimierten Sex hattest, hast du keine Ahnung, was du verpasst. Sie lieben es, Mann. Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr sie bei der Sache sind. Es ist, als ob sie sich lebendig fühlen, wenn sie es tun. Sie sprechen dann beinahe wie normale Leute. Das ist beim Sex so und wenn sie Schmerzen haben.“
„Woher weißt du das mit den Schmerzen?“, wollte ich wissen.
Ryan zuckte die Schultern. „Andere Leute, andere Vorlieben. Hier trifft man sämtliche Arten von Reanimierten-Fans. Einige stehen auf Sex, einige auf … verrückte Dinge.“
Ich ließ den Gedanken bereits wieder fallen. Wenn jemand Tote quälen wollte, war das seine Sache. Ich dachte über Maisie und Sex nach, darüber, was Ryan gesagt hatte: dass sie beim Sex menschlicherwaren und sprachen. Demnach könnte Maisie jedermann alles erzählen. Ich wollte es eigentlich nicht selber versuchen, aber ich musste es wissen.
Ich bezahlte meine hundert Dollar bei Georgios, einem der Besitzer der Pine Box . Er war ein gut aussehender Grieche mit einem langen Pferdeschwanz und der bulligen Statur eines Linebackers. Obwohl er stets schroff und abweisend schien, war er ausgesprochen freundlich. Er sprach mit einem starken Akzent und trat sehr offen und zwanglos auf, als ob es das Normalste der Welt sei, für Sex mit einer Reanimierten zu bezahlen. Georgios sorgte dafür, dass sich seine Kunden wie zu Hause fühlten, sodass ich annahm, dass er ein guter Geschäftsmann war.
Die Sache mit Maisie war peinlich. Sie kam mit nichts als einem G-String bekleidet zu uns und blieb vor uns stehen. „Möchtest du mit Mr. Walter Molson gehen?“, fragte Georgios sie. „Er ist ein echter Gentleman.“
Ich zuckte zusammen, als er meinen Namen aussprach. Ich wollte nicht, dass sie ihn erfuhr. Bis zu diesem Moment kannte sie nur mein Gesicht. Maisie reagierte nicht, und ich hoffte, dass diese Information in ihrem toten Hirn nicht abgespeichert würde.
Sie folgte mir in das Zimmer, das Georgios uns zugeteilt hatte. Ich erwartete etwas unsagbar Schäbiges – einen staubigen Raum mit unverputzten Wänden aus Hohlblocksteinen und einer fleckigen Matratze auf dem Boden –, doch das Zimmer war auffallend sauber und behaglich eingerichtet. Ein Bett und ein paar Stühle standen darin, und der Raum war recht hell. An den frisch tapezierten Wänden hingen Gemälde – Landschaften, Stillleben und das ganze langweilige Zeug, das man in Hotelzimmern findet. Das Bett schien frisch bezogen worden zu sein. Georgios war offensichtlich ein ganz besonderer Kerl.
Ich schloss die Tür, und Maisie stand da und starrte mich ohne die kleinste Regung an. Georgios hatte mir erklärt, dass ich vor jedem Befehl immer ihren Namen sagen müsse, sonst würde sie nicht zuhören. Ich befahl: „Maisie, setz dich aufs Bett.“
Sie setzte sich.
Da befand ich mich also, allein in diesem kleinen Zimmer mit Maisie. Sie saß auf der Bettkante, mit ausdruckslosem Gesicht und Augen so starr wie die einer Puppe. Dass
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