The New Dead: Die Zombie-Anthologie
ich. Ich hänge hier in Usk mit einer Kellnerin und einem erbärmlichen Verlierer fest und werde im Bett sterben.
„Jamie, was machst du da?“ Meine Frage war vollkommen überflüssig, da ich mir die Antwort selbst geben konnte. Wie immer versuchte er, uns zu provozieren, da es für ihn der einzige Weg war, seine Angst zu verbergen.
„Ich helfe ihr zu fliehen“, kicherte er. „Mal sehen, wie weit sie kommt.“
„Sie versuchen alles, damit sich dieser Mist nicht ausbreitet“, erklärte ich und blinzelte verwirrt. War ich etwa einverstanden mit dem, was sie taten? Bisher hatte ich mir nicht die Zeit genommen, in Ruhe darüber nachzudenken.
„Du bist ein aufgeblasenes Arschloch, Toby. Weißt du das eigentlich? Du solltest dich selber reden hören, und sieh dich doch mal an.“ Jamie trat in den Schlick. Der Fluss strömte nur ein oder zwei Meter von ihm entfernt an ihm vorbei.
Beinahe wäre ich gesprungen. Hätte ich es getan, hätte ich ihn vielleicht aufhalten können. Doch der eigentliche Grund, warum ich auf der Brücke stehen blieb, war der Gedanke, dass sich möglicherweise zwischen den Bäumen am anderen Ufer Heckenschützen verbargen. Ich wollte nicht zu nah bei Jamie sein, wenn sie das Feuer eröffneten.
Doch es wurden keine Schüsse abgegeben, als er sich dem Fluss näherte, und ebenso wenig, als er die Leiche von seiner Schulter in den Schlick gleiten ließ. Ihre Gliedmaßen waren noch nicht steif und ihre Augen klar. Es hat neue Fälle gegeben .
„Jamie, möchtest du, dass andere Menschen das durchmachen, was du jetzt durchmachst?“, fragte Bindy.
„Ja“, antwortete Jamie. Er schob das Kind ins Wasser. Ich zuckte zusammen, weil ich Schüsse erwartete, und während wir zusahen, wie sie davontrieb, wurde mir klar, dass ich versagt hatte. Ich war ein Feigling. Ein Sprung, ein Schlag und ich hätte ihn aufhalten können.
„Verdammt“, fluchte ich.
„Ja, denn wenn ich da durchmuss, warum dann nicht auch andere?“ In seiner Stimme schwang nicht das geringste Bedauern mit. Im Gegenteil, ich meinte sogar eine Spur von Häme herauszuhören, als er noch einmal kicherte, eine kleine Whiskeyflasche aus einer Tasche seiner Cargohose zog und einen großen Schluck nahm.
„Du bist ein verdammter Idiot, Jamie“, sagte Bindy, „du wirst uns noch alle umbringen.“ Sie beobachtete, wie die Leiche des Mädchens auf dem Wasser trieb.
Die Strömung war an dieser Stelle recht stark, da das Wasser durch die drei Brückenpfeiler verwirbelt wurde. Als einer der Wirbel die Leiche erfasste, drehte sie sich im Uhrzeigersinn, mit ausgebreiteten Armenund Beinen. Das Haar umgab ihren Kopf wie ein Strahlenkranz. Das Wasser wird ihr jetzt den Staub aus den Augen spülen , dachte ich. Einen kurzen Moment lang verfing sich ihre Kleidung an einem über das Wasser ragenden Ast, doch dann trieb sie weiter und war schon bald hinter einer Biegung verschwunden.
Ich bemerkte, dass Jamie bereits um das alte Mauthäuschen am Brückenende herumgegangen war. Er war auf dem Rückweg und bewegte sich leicht torkelnd in Richtung Hauptstraße. Die Flasche hielt er in seiner Hand. Noch immer betrunken. Jamie würde immer betrunken sein, und ich fragte mich, um wie vieles unerträglicher er wohl in nüchternem Zustand sein mochte.
„Was machen wir jetzt?“, fragte Bindy. Sie war zu mir getreten und streckte mir eine Hand entgegen, während sie sprach. Ich ergriff sie.
„Einfach nur weitermachen wie bisher“, antwortete ich. „Ich werde weitersuchen.“
„Aber wenn du sie findest …“
„Ich werde weitersuchen.“ Ich ließ Bindy los und wollte Jamie folgen.
„Du bist übrigens keines, falls du dich das fragen solltest“, meinte sie neben mir hergehend.
„Kein was?“
„Kein aufgeblasenes Arschloch.“
Ich zuckte mit den Schultern, als wäre es mir egal.
Jamie saß auf dem Bordstein vor dem Postamt und grinste blöd vor sich hin. Er wartete auf uns, wartete darauf, seine diebische Freude an uns auslassen zu können.
„Was?“, fragte Bindy. Im Stillen verfluchte ich sie, weil sie ihn auch noch ermutigte.
„Denen hab ich’s gezeigt“, antwortete er. Jamie lachte, aber ich konnte deutlich eine gewisse Unsicherheit heraushören. Das Lachen sollte sie überspielen …
„Ja, du hast’s ihnen so richtig gezeigt, Jamie“, bestätigte ich. „Jetzt werden sie ihre Pläne bestimmt aufgeben und uns in Ruhe lassen. Arschloch!“
Jamie stand schwankend auf, und seine Miene verfinsterte sich bedrohlich. Ich
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