The New Dead: Die Zombie-Anthologie
ich zurückkam. Sie saß auf einer der steinernen Fensterbänke des Hotels und schien auf mich zu warten. Einen Augenblick lang ärgerte ich mich über ihre Frage, doch dann seufzte ich leise und setzte mich neben sie.
„Sie stellen Kameras auf, um uns nicht aus den Augen zu verlieren“, antwortete ich.
„Warum?“
„Es hat einen neuen Fall gegeben … eine der Leichen, die wir ihnen gebracht haben. Ich nehme an, sie wollen uns beobachten, für den Fall, dass wir uns angesteckt haben.“
Bindy nickte grimmig. „Das war’s dann also“, sagte sie, und ich war außerstande, darauf etwas zu erwidern. Ich wollte mir nicht eingestehen, dass damit irgendetwas zu Ende war.
„Wo ist Jamie?“
„Reingegangen. Ich nehme an, er sitzt in der Bar.“
„Okay. Ich muss ihm sagen, was da vor sich geht.“
Bindy blieb sitzen, was mich ein wenig überraschte. Ich hatte gedacht, dass sie sich wieder wie ein ausgesetztes Hündchen mit großen Augen und erwartungsvollem Blick an mich hängen würde. Vielleicht hatte sie irgendwie zu ihrer inneren Kraft gefunden.
„Bindy“, sagte ich, als ich am Haupteingang angekommen war. Sie sah mich an. „Wir kommen hier wieder raus. Wenn sie alles geklärt haben und genau wissen, was hier eigentlich geschieht.“
„Danke, Toby“, sagte sie leise und wandte den Blick wieder ab.
Ich betrat das Hotel, um Jamie zu suchen.
Das erste Seuchenopfer, das ich zu Gesicht bekommen hatte, war ein alter Optiker, dessen Laden in der Hauptstraße lag. Er befand sich im ersten, dem von Wutausbrüchen geprägten Stadium und stakste auf der Straße herum, zerschlug Schaufenster mit bloßen Händen und seinem Kopf, packte große Glasstücke und versuchte, Passanten damit aufzuschlitzen. Das war noch ganz am Anfang der Seuche gewesen, und obwohl den meisten Menschen klar war, dass irgendetwas faul war in Usk, wussten nur wenige, was genau. Die Leute schrien, der Alte brüllte und brummte, und plötzlich stieß er eine Frau zu Boden, hielt sie fest und schlitzte sie auf. Er war völlig durchgedreht.
Ein Jugendlicher zog ihm fünf Mal einen Golfschläger über den Kopf. Der Alte stürzte auf die blutende Frau und starb noch vor Ort, doch nur Sekunden später raffte er sich langsam wieder auf. Der Anfall war vorüber, und er machte sich daran, nach dem Herzen der unter ihm liegenden Frau zu suchen.
Als ich die Bar betrat, hatte Jamie gerade einen Wutausbruch.
Mir blieb fast das Herz stehen, und ich zitterte vor Angst. Ich drückte mich gegen die Wand und beobachtete ihn.
Jamie kippte Tische und Stühle um, zerschlug Flaschen, trat gegen den Tresen, spuckte und brüllte. Das war’s , dachte ich. Jetzt ist alles aus .Doch im selben Augenblick wurde mir meine Bestimmung wieder bewusst: Ich durfte nicht einfach sterben, weil ich Fiona finden musste.
Als ich mich vorsichtig auf den Weg zur Tür machte, entdeckte Jamie mich. Er hielt inne und fiel weinend auf die Knie.
„Das ist nicht fair“, heulte er. „Das ist einfach nicht fair.“
Ich atmete erleichtert auf und ließ mich gegen die Wand fallen. Nur besoffen! Herrgott noch mal!
„Du hast gehört, was ich zu Bindy sagte.“
„Ja, durchs Fenster.“ Jamie legte sich auf den von Glasscherben übersäten und mit Whiskey getränkten Teppich, und ich ließ ihn allein. Da konnte ich nichts machen … Einen Moment lang hatte er mich zu Tode erschreckt, und ich fragte mich, was sie wohl tun würden, wenn sie ihn so herumtoben sahen.
Ich ging wieder hinaus, doch Bindy war nicht mehr da. Also machte ich mich auf den Weg, um Fiona zu suchen.
Wir hatten in einer von acht Wohnungen in einer alten renovierten Kirche am Marktplatz gewohnt, und das Gebäude war am Tag des Ausbruchs geplündert worden. Fiona war zu dem Zeitpunkt schon verschwunden, und ich war seit der Säuberungsaktion drei Mal in die Kirche zurückgekehrt, um nach ihrer Leiche zu suchen. Erneut ging ich dorthin und stieg die verbogene Metalltreppe hinauf. Sosehr ich mich auch bemühte, nichts zu berühren, waren meine Hände doch völlig verrußt, als ich den ersten Stock erreichte. Fast hatte ich das Gefühl, der Ruß würde sogar in der Luft hängen.
Unsere Wohnung befand sich im hinteren Teil der Kirche, und ich musste an zwei anderen Wohnungen vorbeigehen, die völlig verwüstet waren. Leichen oder Knochen waren nicht mehr zu finden.
Ich kam zu unserer Wohnung, die wir geliebt und miteinander geteilt hatten, und war froh, dass nichts mehr an unser früheres Zuhause erinnerte.
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