The New Dead: Die Zombie-Anthologie
wollte mich nicht mit ihm prügeln, denn ich bin nicht der Typ dafür. Aber ich bemerkte, dass da noch etwas anderes war, etwas außer seiner Unsicherheit, und jetzt war er gerade in Fahrt.
Achtlos schleuderte er die leere Flasche fort und machte einen Schritt auf mich zu, als plötzlich der Hubschrauber auftauchte.
„Was wolln die denn schon wieder?“, fragte Jamie. Er klang besorgt.
„Bleiben Sie, wo Sie sind“, befahl die blecherne Stimme.
„Eine Lektion erteilen“, vermutete ich. „Wir sind ihre Haustiere und werden jetzt ordentlich was von ihnen zu hören bekommen.“
Ich sollte Recht behalten. Der Hubschrauber schwebte knapp über den Gebäuden keine 50 Meter von uns entfernt in der Luft, und ein Mann beugte sich weit heraus. Er hielt etwas in der Hand. Kamera und Mikrofon , dachte ich, doch dann stürzte Jamie auf den Gehsteig. Aus seiner Kehle spritzte Blut hervor. Seine Augen waren weit aufgerissen, und seine Hände fuchtelten wie zwei aufgescheuchte Tiere auf der Suche nach der Wunde in der Luft herum. Noch ehe sie sie gefunden hatten, ertönte ein zweiter Schuss. Dieser traf genau ins Schwarze, und Jamies Schädeldecke und sein Gehirn verteilten sich auf der Treppe des Postamts.
Der Hubschrauber drehte ab. Bindy hatte sich abgewandt, doch ich musste einfach hinschauen. Was den Tod anging, hatte ich schon so einiges gesehen, doch hier spielte sich etwas weitaus Schlimmeres ab. Während das Blut noch aus Jamie heraussickerte, zuckte einige Sekunden lang sein linker Fuß, und seine Augen verdrehten sich langsam. Ich konnte mir nicht erklären, was mit ihm geschah.
„Da warn es nur noch zwei!“, stellte Bindy, die sich offenbar kurz vor einem hysterischen Anfall befand, fest.
Das war’s dann also. Im tiefsten Innern war mir klar, dass wir hier noch für lange Zeit festsitzen würden, und wenn Jamie auch ein Arschloch gewesen war, hatte er uns doch auf seine Art Gesellschaft geleistet. Und ich, abweisend und reserviert und ein ebensolches Arschloch wie er, wusste, dass ich es nicht allein schaffen würde, das hier zu überleben.
Ich nahm Bindy in den Arm, und dieses Mal war ich es, dem die Nähe guttat. Sie fühlte sich warm und lebendig an, und ich klammerte mich mit allem, was ich besaß, daran.
In dieser Nacht zog sie in mein Hotelzimmer. Ich hatte nichts dagegen, und sie hatte mich gar nicht erst gefragt. Sie stellte einfach ihre wenigen Habseligkeiten neben meinen ab, zog sich bis auf die Unterwäsche aus und kletterte ins Bett. Ich legte den Arm um ihreSchultern, sie lehnte den Kopf an meine Brust, und so war sie schon bald eingeschlafen. Es hatte nichts Sexuelles. Ich sog ihren Geruch ein, fühlte ihre Wärme, spürte ihre schweren Brüste an meiner Seite, doch es erregte mich nicht. Hier ging es ums nackte Überleben, und obwohl wir die Wärme des anderen eigentlich nicht brauchten, gab es doch so viel mehr zu teilen.
Am nächsten Tag machten wir uns daran, Jamie zu begraben. Ich zog ihm eine Tüte um den Kopf, um uns den Anblick seines zerschossenen und von Wildtieren abgenagten Schädels zu ersparen. Bindy brach in einen Eisenwaren- und Heimwerkermarkt ein, um nach einer Schaufel und einer Spitzhacke zu suchen. Gemeinsam trugen wir Jamies Leiche die Hauptstraße entlang und in eine kleine Gasse, die zu einem Biergarten führte. Dort gab es mehrere Rosenbeete, deren Erde trotz der Sommerhitze noch locker war, und ich sah auch keinen Grund, Jamie den ganzen Weg bis zur Kirche zu schleppen.
Wir gruben abwechselnd. Wenn Bindy dran war, hockte ich mich hin und sah ihr zu. Ich hatte mich nie zu ihr hingezogen gefühlt – ich hätte es nie fertiggebracht, Fiona zu betrügen –, aber nun fiel mir zum ersten Mal auf, wie attraktiv diese junge Frau war. Vielleicht hatte die Angst sie bisher zu sehr beherrscht, doch jetzt, als sie mit Shorts und Spaghetti-Top gekleidet in der Erde grub, in der Morgensonne schwitzte und ihre Beine von Dreckschlieren überzogen waren, fand ich sie ganz hübsch. Ich genoss es, ihr zuzusehen, doch dieses Vergnügen fand in dem Moment sein Ende, als ich bemerkte, dass Jamie sich bewegte.
Mir stockte der Atem. Ich sprang auf und sah, wie die Spatzen von seiner blutgetränkten Brust aufflatterten. Die waren’s , dachte ich, nur die . Als ich wieder an der Reihe war, sorgte ich mit der Spitzhacke dafür, dass er noch tiefer begraben wurde.
Es dauerte einige Stunden, und Bindy machte sich zwischendurch auf den Weg, um ein paar Flaschen Wasser aus einem Laden zu
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