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The Road of the Dead

The Road of the Dead

Titel: The Road of the Dead Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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wollte, dass alles aufhörte: der Lärm, die Angst, der Gestank, die Schmerzen, die Übelkeit und die Magenkrämpfe. Ich wollte nichts mehr empfinden. Ich wollte nichts mehr tun. Ich wollte nicht mehr da sein. Ich wollte keine Angst mehr haben. Ich wollte nicht mehr tapfer sein. Ich wollte weder stark noch schwach noch klug noch dumm noch nett noch sorglos noch tot sein   …
    Ich wollte
gar
nichts sein.
    Ich war müde.
    Leer.
    Verkrampft und fröstelnd.
    Meine Arme taten weh.
    Meine Augen schmerzten.
    Ich roch widerlich – nach Erbrochenem, nach Pisse, nach dem Gestank meiner Angst   …
    Jetzt kamen sie. Ich hörte sie draußen. Wie sie über den Hof stapften. Das Scheunentor öffneten. Über den Fußboden gingen. Stimmen. Eine Leiter, die gegen die Luke knallte. Die Lukenöffnung. |301| Der Schein einer Taschenlampe.
    In meinem Magen zuckte es, als stünde die Brühe darin unter Strom.
     
    »Mann, du stinkst.«
    Ich hielt die Augen auf den Boden fixiert und sagte nichts. Red stand über mir und leuchtete mit einer Taschenlampe in mein Gesicht, Sim und Vince warteten in den Schatten hinter ihm. Ich würde sie nicht ansehen. Ich würde nicht sprechen. Ich würde gar nichts.
    »Hey«, sagte Red und stieß mich mit seinem Stiefel. »Was ist los mit dir? Sieh mich an.« Er stieß mich ein zweites Mal. »Ich hab gesagt, sieh mich
an

    Als ich mich immer noch nicht rührte, beugte er sich herab und schlug mir die Taschenlampe quer übers Gesicht. Mein Kopf zuckte zurück und ich spürte einen lähmenden Schock im Kiefer. Ich schluckte ein Rinnsal Blut und ließ die Augen wieder in Richtung Fußboden gleiten.
    Es gab ein Astloch in einem der Bodenbretter – ein merkwürdiges Oval mit faszinierend angeschrägtem Rand   –, das war meine Zuflucht. Dort konnte ich nichts sein. Tief in dem Loch. Verschwunden in der Dunkelheit. Wo ich nichts war. Wo ich den Schmerz beherrschte.
    Als Red mein Haar packte und meinen Kopf nach hinten gegen den Pfeiler schlug, fühlte ich immer noch nichts, aber diesmal – als mein Kopf zurückprallte   –, kam ich nicht mehr zu meinem Loch. Red hielt meine Haare fest, zwang meinen Kopf zurück und schob sein Gesicht vor meins. Zwang mich, ihn anzusehen. Ich schloss die Augen. Ich spürte, wie mir sein ranziger Atem über die |302| Haut fuhr.
    »Mach die Augen auf«, zischte er. »Guck mich an.«
    Ich stellte mir mein Loch vor. Meine Zuflucht.
    Ein Schnappmesser sprang auf. Kaltes Eisen stach mir in die Haut über dem Augenlid.
    »Entweder du machst sie jetzt auf oder du bist sie für immer los«, sagte Red.
    Meine Zuflucht flimmerte, das Loch war zu. Ich öffnete die Augen und sah in Reds Gesicht, das voll unter Strom stand. Er war so nah, dass ich mich in seinen irren Augen sehen konnte. Ich war verzerrt, gewölbt wie ein Gesicht, das sich auf der Rückseite eines silbernen Löffels abzeichnet. Ich war ein Monster.
    Red blies mich wieder an, sein Atem ein verrottendes Schweigen. Ich schloss den Mund und starrte mich selbst in seinen Augen an. Mein Monster-Ich. Meine Monster-Zuflucht. Ich hielt das Bild eine Weile fest, dann blinzelte Red, es zuckte in seinem Grinsen, ich spürte, wie mir die Messerklinge über die Wange strich und dann war alles weg – das Messer, das Gesicht, die Monsteraugen – und ich beobachtete Red, wie er zurückfuhr, sich aufrichtete und das Schnappmesser zuklappte.
    »So ist es schon besser«, sagte er und starrte mich immer noch an. »Wenn ich dir sage, du sollst mich angucken, dann guck mich gefälligst an – hast du verstanden?«
    Ich nickte.
    »Antworte.«
    »Was?«, fragte ich.
    »Du sollst antworten. Nicht bloß mit dem Kopf nicken –
antworten

    »Ja   …«
    |303| »Ja, genau.« Er beugte den Kopf zur Seite und kratzte sich im Nacken. Er schnupperte, zog die Nase kraus und ich sah seine Augen an meinen Beinen hinabgleiten. Er schnupperte noch mal und schüttelte den Kopf. »Pisst du dich immer voll?«
    »Was?«
    »Du stinkst nach Pisse. Jedes Mal, wenn ich dich treffe, stinkst du nach Pisse. Und jetzt hast du dich auch noch bekotzt. Was ist los mit dir?«
    Das war wieder eine dieser Fragen, auf die es keine Antwort gab, die Frage eines Angstsaugers –
Was guckst du so? Hast du ein Problem?
–, und als ich drüber nachdachte, jagten meine Gedanken zurück zu dem Steinring und dem geduckten Weißdorn, zu Jess und Tripe, zu Bohne und Nate und zu Red in seinem roten Anzug, der lächelnd dastand, genau wie jetzt – mit dem Kopf nickte, die

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