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The Road of the Dead

The Road of the Dead

Titel: The Road of the Dead Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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Schultern zuckte, sich die Nase am Jackenärmel putzte und auf meine Reaktion wartete   …
    Ich überlegte, was er wohl sagen würde, wenn ich ihn fragte, warum er das alles getan hatte.
Was hast du davon, Red? Ich meine, all diese Gemeinheiten – die boshaften Spiele, der Spott, die Drohungen   … dieser Tanz der Gewalt. Warum machst du das?
    Aber es war sinnlos, das zu fragen. Ich wusste, warum er es tat. Er tat es aus dem gleichen Grund, aus dem jeder von uns Dinge tut. Er tat es, weil es ihm Spaß machte.
    »Vermisst du deinen Daddy?«, höhnte er. »Ist es das? Pisst du dich voll, weil dein Daddy nicht da ist?«
    Ich sagte nichts.
    Er lachte – ein dünnes, kleines Kichern. »Scheiße«, sagte er und spuckte auf den Boden. »Was tust du eigentlich für die Delaneys? Wie bringst du die auf deine Seite?« Er grinste mir sein Grinsen |304| entgegen. »Bezahlst du sie? Kaufst du dem Mädchen einen neuen
Hund
oder was? Ist es das? Du kaufst eine Töle für diese Schlampe?« Er zog die Lippen zurück und bellte. Seine Augen waren irr. »Töle für die Schlampe«, begann er zu johlen, »Töle für die Schlampe   …« Dann plötzlich hörte er auf, stieß mir sein Gesicht entgegen und seine Stimme wurde eisig. »Also, was tust du?«
    »Nichts«, sagte ich.
    Er trat noch dichter heran und hielt mir die Taschenlampe ins Gesicht. Ich drehte mich weg und schloss die Augen.
    »Sieh mich an«, sagte er.
    Ich rührte mich nicht. Ich hatte die Schnauze voll.
    »Mach die
Augen
auf.«
    Ich hielt den Atem an.
    Ich hörte das Messer aufspringen und spürte die Klinge, wie sie langsam auf mein Gesicht zufuhr. Ich wusste, jetzt war es zu spät, etwas zu tun. Meine Augen blieben zu, ob ich wollte oder nicht. Ich machte dicht. Machte mich bereit, den Schmerz zu beherrschen, doch als die Spitze der Klinge die Haut berührte und ich mich nach der Dunkelheit in meinem Kopf streckte, sagte eine Stimme aus den Schatten: »Komm schon, Red – das ist doch dämlich«, und plötzlich wurde es still.
    Das Messer bewegte sich nicht mehr.
    Red stöhnte.
    Ich zog mich aus der Dunkelheit zurück.
    Die Stimme gehörte Vince.
    Ich hielt die Augen weiter geschlossen und horchte angestrengt in die Stille.
    »Was?«, sagte Red, die Stimme nicht mehr als ein Flüstern.
    »Wir haben keine Zeit   –«
    |305| »
Was
hast du gesagt?«
    »Wir haben keine   –«
    »Du hast mich
dämlich
genannt?«
    »Nein, ich hab nur versucht   –«
    »Was?
Was
hat du versucht?«
    Wieder kurze Stille.
    Dann sprach Sim. »Er hat recht, Red. Wir sollten voranmachen. Den Jungen hier rausholen. Wenn Henry will   –«
    »Ich
weiß
, was Henry will.« Reds Stimme war jetzt ruhi-ger, weniger durchgeknallt. »Was glaubst du wohl, was ich tu?«
    »Ja, klar«, sagte Vince. »Aber wenn Ford rausfindet, wo wir sind   –«
    »Tut er aber nicht.«
    »Vielleicht doch. Und wenn   –«
    »Was dann? Du meinst, ich werd nicht mit ihm fertig? Du meinst, ich lauf vor einem
Zigeuner
weg?«
    »Nein   –«
    »Ich renn doch nicht vor
Scheiße
weg.«
    »Keiner rennt vor irgendwas weg, Red – wir versuchen nur, das Ganze im Griff zu behalten, das ist alles.«
    Wieder Schweigen. Das Taschenlampenlicht fiel mir jetzt nicht mehr ins Gesicht. Ich hob den Kopf ein bisschen und öffnete leicht die Augen. Red stand mit dem Rücken zu mir, die anderen beiden sahen ihn an. Vince wirkte müde und besorgt. Sim hielt ein Stück Seil in den Händen. Vince starrte hinüber zu mir. Unsere Blicke trafen sich kurz, doch sein Gesicht zeigte nichts. Er wandte sich wieder Red zu.
    »Wenn wir nicht bald aufbrechen, ist der Weg überflutet. Du weißt, was das heißt.«
    |306| »Ja, schon
gut
«, sagte Red gereizt. »Wir verschwinden, okay?«
    Er schniefte heftig und spuckte auf den Boden. »Na los, kommt schon – worauf warten wir noch? Lasst uns den kleinen Scheißer hier wegbringen.«
     
    Während sich Sim wieder um die Handschellen kümmerte und sie genauso ungeschickt weghackte wie beim ersten Mal, beugte sich Vince über mich und schlang mir das Seil um den Hals. Ich tat nichts, um ihn aufzuhalten. Gar nichts. Ich starrte bloß ins Leere und versuchte nachzudenken. Es war nicht einfach. Ich wollte die Augen schließen, davonschweben und Cole suchen, aber ich wusste, dass ich es nicht konnte. Ich hatte keine Zeit. Alles geschah wirklich. Hier und jetzt. Ich musste
hier
sein. Ich musste ich sein.
    Ich musste jetzt etwas tun   …
    Ich musste
nachdenken
.
    Nachdenken, mich umschauen,

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