The Sign Bd. 1 Nur zu deiner Sicherheit
richtig.«
Während wir darauf warteten, dass die Ampel endlich umsprang, betrachtete ich die glänzende Glasfassade, die umso mehr strahlte, als die Sonne vom Wasser reflektiert wurde. Das Ganze erinnerte mich an ein Gemälde, das ich bei einem Ausflug ins Art Institute gesehen hatte.
Doch die Lobby im Inneren des Gebäudes erinnerte an alles, nur nicht an Kunst: Es war nichts weiter als ein staatlich gefördertes Wohnprojekt für Leute im Ruhestand und Pensionäre mit Behinderungen, so wie Grandpa; eingerichtet in leblosem Beige und Grau, den Standardfarben von Regierungsgebäuden, bei denen einem echt schlecht wurde. Grandma sprach immer wieder mal die Drohung aus, dass sie sich heimlich mit einer Dose Regenbogenfarben über die Lobby hermachen würde, um endlich für etwas Heiterkeit zu sorgen.
Wie schon mein ganzes Leben lang, fragte ich mich wieder einmal, wie unser aller Dasein ausgesehen hätte, wenn Grandpa nicht diesen Unfall gehabt hätte. Er machte Karriere, kurz davor, zum leitenden Angestellten befördert zu werden, als es geschah. Alles wäre so völlig anders, vielleicht wäre sogar mein Vater noch am Leben … wenn nur …
»Hey, Nina, auf welchem Planeten bist du denn gerade?« Sandy tippte mir auf die Schulter. »Die Ampel ist grün.«
Verwirrt schüttelte ich den Kopf, um mit den Gedanken in die Gegenwart zurückzukehren. Ich war entschlossen, mich nie wieder irgendwelchen Wunschträumen hinzugeben. Wir eilten über die Brücke. Beim Eingang angekommen, grinste ich frech in die Kamera der Überwachungsanlage, legte meine Hand auf das Feld für die automatische Identitätsprüfung und sagte laut: »Nina Oberon mit Begleitung.« Ich packte Sandy an den Schultern und rückte ihr Gesicht ebenfalls ins Blickfeld der Überwachungskamera. Sie grinste, genau wie ich.
»Hab ich dir eigentlich erzählt, dass Grandma und Grandpa vergangene Woche ihren Jahrestag hatten?« Ich schob sie durch die Drehtür und betrat selbst das nächste Abteil.
»Achtunddreißig Jahre«, brüllte ich durch das Glas hindurch. Ehe sie ihr Abteil verlassen konnte, ließ ich die Tür noch ein paarmal rotieren. Schließlich stolperten wir lachend auf der anderen Seite raus. »Die meiste Zeit hacken Grandma und Grandpa ja nur aufeinander rum – du weißt schon, wie diese Hühner im Zoo.« Ich zwickte Sandy am Ärmel und sie schlug kichernd nach meiner Hand. »Aber sie lieben sich über alles.«
»Nur weil zwei Menschen verheiratet sind, heißt das noch lange nicht, dass sie sich auch lieben. Wenn Ed seine Frau lieben würde, wäre er nicht mit deiner Mom zusammen.«
»Wage es ja nicht.« Ich warf ihr einen finsteren Seitenblick zu.
»Tut mir leid.«
Sie wusste, dass ich Ed hasste. Unzählige Male hatte Ginnie mich und Dee rüber zu Sandy geschickt, wenn Ed zu ihr kam. So bekamen wir wenigstens nie das ganze Ausmaß seiner Tobsuchtsanfälle mit. Allerdings saß ich dann hinterher immer in der ersten Reihe, um die Auswirkungen zu betrachten. Die meiste Zeit gab ich mir alle Mühe, nicht über ihn nachzudenken. Und schon gar nicht wollte ich ihn mir zusammen mit meiner Mom vorstellen.
»Na ja«, meinte Sandy, »meine Mom und mein Dad haben sich jedenfalls geliebt. Ich erinnere mich noch, wie sie immer lachend durchs Haus getanzt sind, als ich noch klein war. Dad hat Mom immer herumgewirbelt, und dann hat er mich auf den Arm genommen und ich durfte mittanzen.« Ihr Gesicht verfinsterte sich. Zornig drückte sie den Knopf am Liftport. »Diese dämlichen Übergriffe.«
Ich war der Ansicht gewesen, ich hätte das Thema NonKons nach der Ansprache des Widerstands ganz geschickt umgangen – da hab ich mich wohl getäuscht. Aber ich war so schlau, keinen Ton mehr zu sagen. Sandys echter Dad hatte als Polizist gearbeitet. Als sie fünf Jahre alt war, gingen ihr Vater und sein Partner auf Streife durch die Tunnel unterhalb des Chicago River, um NonKons aufzuspüren. Man hatte der Polizei einen Hinweis gegeben, dass eine Gruppe von Widerständlern versteckt in einer unterirdischen Siedlung in den uralten Gullys und Abwasserkanälen lebte. Ein Überlaufventil wurde mit Gewalt geöffnet (völlig beabsichtigt, wie die Medien behaupteten), woraufhin das Wasser in den Bereich eindrang, in dem die Cops sich gerade befanden. Sie ertranken.
Ginnie war überzeugt gewesen, dass das Ganze inszeniert war, damit es so aussah, als wären NonKons für das Unglück verantwortlich; sie wusste, dass diese Menschen keine Mörder waren. Womöglich
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