The Stand. Das letze Gefecht
Käfer, der in einer Benzinpfütze strampelte. Ich bin wie dieser Käfer, dachte er giftig, und was ist das für eine Welt, in der Gott einen nicht nur in klebriger Pampe stecken läßt wie einen Käfer in einer Benzinpfütze, sondern einen auch noch am Leben und stundenlang zappeln läßt, tagelang... oder, in seinem Fall, jahrelang. So eine Welt verdient nichts anderes, als zu verbrennen. Er stand mit gesenktem Kopf da und wollte gerade das dritte Streichholz anzünden, als der Wind nachließ.
Als er zurückgekommen war, wurde er eine Weile Irrer und Schwachkopf und Feurio genannt, aber Carley Yates, der ihm inzwischen drei Klassen voraus war, erinnerte sich an die Mülleimer, und Carleys Name blieb an ihm haften. Als er sechzehn wurde, ging er mit Erlaubnis seiner Mutter von der Schule ab. ( Was soll man denn erwarten? Die haben ihn da unten in Terre Haute fertichgemacht, ich würd' sie verklagen, wenn ich das Geld hätte. Elektroschockbehandlung sagen sie dazu. Ich sag dazu elektrischer Stuhl! ) und fing bei Scrubba-Dubba Car Wash an: Scheinwerfer abseifen / Scheibenwischer prüfen / Stoßstangen abseifen / Spiegel abwischen / he, Mister, wollen Sie auch Heißwachs? Und eine Weile ging noch alles seinen geregelten Gang. Leute schrien ihn an Straßenecken und aus fahrenden Autos an, wollten wissen, was die alte Mrs. Semple (die schon vier Jahre im Grab lag) gesagt hatte, als er ihren Rentenscheck verbrannt hatte, oder ob er ins Bett gemacht hatte, nachdem er das Haus in Sedley angesteckt hatte; sie pfiffen einander zu, wenn sie vor der Milchbar lungerten oder im Eingang von O'Toole's lehnten; sie rieten einander laut, Streichhölzer zu verstecken und Zigaretten auszumachen, weil der Mülleimermann unterwegs war. Die Stimmen wurden alle zu Phantomstimmen, aber die Steine, die aus dunklen Toreinfahrten oder von der anderen Straßenseite auf ihn zugesaust kamen, konnte er nicht einfach mißachten. Einmal hatte jemand aus einem vorbeifahrenden Auto eine halbvolle Bierdose nach ihm geworfen, und die Bierdose hatte ihn an der Stirn getroffen, so daß er in die Knie ging. Das war das Leben: Stimmen, ab und zu geworfene Steine, das Scrubba-Dubba. Und in der Frühstückspause saß er da, wo er auch heute gesessen hatte, aß die Vesper, die seine Mutter ihm mitgegeben hatte, sah zu den Öltanks von Cheery Oil und fragte sich, wie es sein würde.
Das war jedenfalls das Leben, bis er sich eines Tages mit einem 20Liter-Kanister Benzin im Vorraum der Methodistenkirche wiederfand und es überall verspritzte - besonders auf die Gesangbücher, die in einer Ecke lagen, dann hatte er sich besonnen und gedacht: Das ist böse, und vielleicht noch schlimmer, es ist DUMM, sie werden wissen, wer es getan hat, sie würden auch wissen, wer es getan hat, wenn es ein anderer gewesen wäre, und sie werden dich »fortbringen« ; er dachte darüber nach und roch Benzin, während die Stimmen in seinem Kopf flatterten wie Fledermäuse in einem Glockenturm, in dem es spukt. Dann erhellte ein Lächeln sein Gesicht, er drehte den Benzinkanister um, lief damit durch das Mittelschiff und verspritzte Benzin vom Vorraum bis zum Altar, wie ein Bräutigam, der zu seiner eigenen Hochzeit zu spät kommt und so ungeduldig ist, daß er schon die heiße Flüssigkeit verspritzt, die dem künftigen Ehebett vorbehalten bleiben sollte.
Dann war er in den Vorraum zurückgerannt, hatte ein einziges Streichholz aus der Brusttasche gezogen, es am Reißverschluss seiner Jeans angerissen und auf den Stapel benzindurchtränkter Gesangbücher geworfen, Volltreffer, kablamm! und am nächsten Tag fuhr er an den schwarzen Trümmern der Methodistenkirche vorbei in die Jugendstrafanstalt von Northern Indiana.
Und gegenüber von Scrubba-Dubba stand Carley Yates an den Laternenpfahl gelehnt, eine Lucky Strike im Mundwinkel, und Carley hatte ihm seinen Abschiedsgruß, seinen Epitaph, seine letzten Worte nachgerufen: He, Müll, warum hast'n 'ne Kirche angesteckt? Warum nicht die SCHULE?
Er war siebzehn, als er in die Jugendstrafanstalt kam, und als er achtzehn wurde, schickten sie ihn ins Staatsgefängnis, und wie lange war er da? Wer wollte das wissen? Der Mülleimermann nicht, soviel stand fest. Im Knast war es den Leuten egal, daß er die Methodistenkirche niedergebrannt hatte. Im Knast waren Leute, die viel Schlimmeres getan hatten. Mord. Vergewaltigung. Älteren Bibliothekarinnen den Schädel eingeschlagen. Manche Zellengenossen wollten mit ihm etwas machen, manche
Weitere Kostenlose Bücher