The Walk: Durch eine zerstörte Stadt (German Edition)
war noch ein ungeöffnetes Päckchen übrig. Das sollte reichen, bis er am Set ein bisschen Obst vom Snack-Tisch mitgehen lassen konnte.
»Sie glauben, der Hai schwimmt mit offenem Maul. Das Licht zieht die Fische an und sie schwimmen ihm geradewegs in den Rachen.« Sie blätterte flüchtig um und überflog die Schlagzeilen. »Die vermuten, dass es da unten etliche Arten geben könnte, die wir noch nie gesehen haben.«
»Klingt, als könnte man daraus eine Serie machen.« Er steckte das Päckchen in seine Tasche und ging zum Kühlschrank, wo er sich eine Dose Coca-Cola schnappte. Gedankenverloren registrierte er ein leises Klacken auf dem Fußboden. »Obwohl, die letzte erfolgreiche Unterwassersendung lief vor dreißig Jahren.«
»Die Welt dreht sich nicht ständig ums Fernsehen«, sagte Beth und ließ einen ihrer herablassenden Seufzer folgen.
»Die meisten Leute wüssten nicht, was sie essen wollen, was sie anziehen wollen oder wen sie ficken wollen, wenn das Fernsehen es ihnen nicht sagen würde.« Er bückte sich, um aufzuheben, was er hatte fallen lassen. »Als stellvertretender Programmdirektor im Bereich Fiction spiele ich also offensichtlich eine entscheidende Rolle in unserer Gesellschaft.«
Marty lächelte, um ihr zu signalisieren, dass er scherzte oder zumindest herrlich selbstironisch war.
»Du hast da was fallen lassen.« Sie zeigte mit einer leichten Kopfbewegung Richtung Boden.
Es war eine winzige Ampulle. Pergonal. Seit Monaten abgelaufen. Er wollte es gerade wegwerfen, als er bemerkte, wie sie ihn anstarrte. Also packte Marty die Ampulle hastig wieder in den Kühlschrank und schlug die Tür zu, als könnte das Fläschchen versuchen, sich wieder zu befreien. Das Letzte, was er jetzt wollte, war Die Diskussion wieder aufleben zu lassen.
Als Marty sich umdrehte, stellte er erleichtert fest, dass sie schon wieder in ihre Zeitung vertieft war. Er schnippte die Cola-Dose auf und nahm einen großen Schluck, während er sie über den Rand hinweg beobachtete. Morgens war sie besonders bezaubernd, wenn ihr Haar zerzaust und die Wangen noch rosig vom Schlaf und der Bettwärme waren.
Beth schien seinen Blick und die darin verborgene Zuneigung zu spüren. »Wird es bei dir heute spät?«, fragte sie sanft.
»Schätze, ich bin zur Primetime zurück.« Damit hatte er ihr früher ein Lächeln entlocken können – bevor er den Witz hundert Mal verbraten hatte.
Doch da, als hätte sie seine Gedanken gelesen, schenkte sie ihm ein kleines Lächeln und wandte sich wieder ihrer Zeitung zu.
9:16 Uhr. Dienstag.
Marty saß auf seiner Richterskala, pulte Glasstückchen aus seinen Haaren und fragte sich, was zum Teufel er tun sollte.
Das hätte so nicht passieren dürfen. Er sollte nicht hier sein.
In all seinen Erdbebenfantasien war er immer zu Hause, wo er bestens vorbereitet war. Alles im Haus war angeschraubt, festgeschnallt oder angeklebt. Unter dem Bett lag eine prall gefüllte Tasche mit Überlebenskram, den er nach dem letzten Beben in einem Hamsterkaufanfall besorgt hatte. Sogar ein Sack Hundefutter war dabei. Und für den unwahrscheinlichen Fall, dass das Haus in Mitleidenschaft gezogen werden sollte, hatten sie in der Garage eine Zeltausrüstung für ein Notquartier.
Wenigstens wusste er, dass Beth in Sicherheit war.
Wenn das Haus nicht über ihr eingestürzt war.
Es gab keinen Grund, sich Sorgen zu machen, redete er sich gut zu. Sie hatten eine gründliche geologische Untersuchung durchführen lassen, bevor sie das Haus gekauft hatten. Der Bericht besagte, dass es erdbebensicher und auf solidem Felsuntergrund gebaut war.
Ja, klar, und der Gutachter hatte gesagt, das Abwassersystem sei top, und was ist passiert, als es so richtig geregnet hat? Das Wasser überschwemmte den Hof, sickerte unter den Glastüren hindurch und ruinierte die Hartholzböden. Weißt du noch?
Er musste nach Hause.
Aber wie?
Er steckte in der Innenstadt von L. A. fest, einer im Zerfall begriffenen urbanen Wildnis, dreißig Meilen von der Sicherheit seiner Wohnanlage in Calabasas entfernt, sein Mercedes zermalmt. Und selbst wenn er das nicht wäre, die Straßen und Autobahnen wären sowieso praktisch unbefahrbar, für jegliche Fahrzeuge.
Er würde wohl zu Fuß gehen müssen.
Keine leichte Übung für einen, dessen Vorstellung von einem langen Spaziergang sich auf den Weg zwischen Sofa und Fernseher beschränkte, aber er würde es schaffen. Er hatte keine Wahl, es sei denn, er wollte hierbleiben. Und er wusste, was mit
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