The Walking Dead 2: Roman
um erneut auszuholen, diesmal gezielt und mit aller Kraft, und die Wucht seines Hiebs durchtrennt den Hals zwischen dem fünften und sechsten Halswirbel. Oder sonst wo, egal.
Das Publikum kann kaum noch an sich halten, als der herrenlose Kopf des Metzgers über den Rasen rollt.
Bob wendet sich ab. Er fällt auf die Knie, hält sich mit einer Hand am Zaun fest. Sein Magen verkrampft sich, und er übergibt sich auf dem Betonboden. Die Flasche gleitet ihm aus den Händen, zerbricht aber nicht. Bob kotzt seinen gesamten Mageninhalt aus. Er würgt und würgt, und immer wieder kommt etwas aus seinem Mund. Der Lärm der Menschenmenge tritt in den Hintergrund. Er kann nichts mehr erkennen vor lauter Tränen in den Augen. Er kotzt und kotzt, bis nur noch Gallensaft übrig bleibt, der ihm in langen Fäden aus dem Mund hängt. Er fällt mit dem Rücken zuerst gegen eine Bande, tastet nach der Flasche, findet sie und leert den Rest des Inhalts.
Dann ertönt erneut die Stimme: » UND DAS , LEUTE , IST , WAS WIR GERECHTIGKEIT NENNEN !«
In diesem Augenblick sind die Straßen von Woodbury wie ausgestorben. Man könnte denken, dass man in einem x-beliebigen Kaff irgendwo in Georgia gelandet ist. Als ob die Plage hier ebenfalls alles Leben ausgerottet hätte.
Auf den ersten Blick scheint jeder einzelne Bewohner wie vom Erdboden verschluckt zu sein. Aber das ist nicht der Fall – sie sind noch alle in der Arena, in den Bann des Kampfes gezogen. Selbst der Bürgersteig vor dem Lebensmittellager ist bereits wieder aufgeräumt. Sämtliche Anzeichen des Mordes wurden von Stevens und seinen Leuten beseitigt, und Josh liegt ja längst in der Leichenhalle.
Lilly Caul spaziert in der Dunkelheit umher, hört die von dem Wind an ihre Ohren getragenen Schreie der Menschen. Sie trägt ihr Fleece, die kaputten Jeans und ihre abgewetzten Basketballschuhe. Sie kann nicht schlafen, kann nicht denken, kann nicht mit dem Weinen aufhören. Sie kriegt eine Gänsehaut von dem Lärm aus der Arena, als ob Scharen von Insekten ihr über den Körper krabbeln. Das Schlafmittel, das Bob ihr gespritzt hat, scheint nicht zu wirken, dient lediglich dazu, den Schmerz zu dämpfen. Es kommt ihr beinahe so vor, als ob ihre Gedanken in Verbandsmull eingewickelt sind. Sie zittert vor Kälte und hält vor der mit Brettern verschlagenen Drogerie inne.
»Es geht mich ja nichts an«, ertönt eine Stimme aus den Schatten. »Aber eine junge Frau wie Sie sollte um diese Zeit nicht allein durch die Straßen wandern.«
Lilly dreht sich um, sieht den Schimmer einer metallenen Brille. Sie seufzt, wischt sich die Augen und blickt zu Boden. »Das ist mir jetzt auch egal.«
Dr. Stevens tritt in das flackernde Fackellicht, die Hände in den Taschen seines Arztkittels, der bis zum Kragen zugeknöpft und von einem Schal gekrönt ist. »Wie geht es Ihnen, Lilly?«
Sie blickt ihn durch Tränen an. »Wie es mir geht? Na, wunderbar.«
Sie versucht zu atmen, aber es ist, als ob ihre Lungen voller Sand sind. »Nächste dumme Frage.«
»Sie sollten sich ausruhen.« Er geht zu ihr, untersucht ihre Verletzungen. »Sie stehen noch immer unter Schock, Lilly. Sie müssen schlafen.«
Sie bringt ein müdes Lächeln zustande. »Ich werde schon genug schlafen, wenn ich tot bin.« Sie zuckt zusammen, starrt erneut zu Boden. Die Tränen brennen in ihren Augen. »Das Merkwürdigste ist, dass ich ihn kaum gekannt habe.«
»Er scheint ein guter Mann gewesen zu sein.«
Sie schaut ihn an. »Aber, ist so etwas denn überhaupt noch möglich?«
»Was denn?«
»Gut zu sein.«
Der Arzt seufzt: »Wahrscheinlich nicht.«
Lilly schluckt und konzentriert sich wieder auf den Boden zu ihren Füßen. »Ich muss hier weg.« Sie spürt, wie sich das Schluchzen erneut in ihr aufbaut. »Ich werde damit einfach nicht mehr fertig.«
»Willkommen im Club.«
Eine unbehagliche Stille.
Lilly reibt sich die Augen, fragt dann: »Wie schaffen Sie es denn?«
»Wie schaffe ich was?«
»Hierzubleiben … Diese ganze Misere über sich ergehen zu lassen. Sie machen den Eindruck, als ob Sie noch einigermaßen normal sind.«
Der Arzt zuckt die Schultern. »Manchmal trügt der Schein. Aber wie auch immer … Ich bleibe aus dem gleichen Grund wie die anderen auch.«
»Und der soll sein?«
»Angst.«
Lilly zählt die Pflastersteine, sagt kein Wort. Was gibt es auch zu sagen? Die Fackeln von der anderen Straßenseite nähern sich dem Ende, die Dochte sind aufgebraucht. Die Schatten vertiefen sich zwischen den
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