The Walking Dead 3: Roman (German Edition)
benutzt?« Sie lächelt ihn eiskalt an. »Dann werde ich das wohl auch mal probieren müssen.«
Philip Blake lässt den Kopf erneut hängen, das weiße Rauschen in seinem Kopf beginnt zu knistern.
Die Frau ihm gegenüber findet ein neues Werkzeug und holt auch das aus der Tasche. »Oh, ich glaube, dass du genießen wirst, was ich hiermit vorhabe«, sagt sie und hält einen verbogenen Löffel ins Licht, sodass er sich ihn gut anschauen kann. Die Aushöhlung des Löffels bündelt die Lichtstrahlen und wirft sie durch das Zimmer.
Dem Governor wird schummrig, und seine Handgelenke brennen vor Schmerz.
Michonne hat sich erneut an der Tasche zu schaffen gemacht, sucht ein weiteres Objekt, findet es.
Sie hält das Werkzeug in die Luft, sodass auch er es sehen kann. »Ein Akku-Bohrer«, erklärt sie. »Hast du wohl erst neulich aufgeladen. Der Akku ist voll. Brav!«
Sie geht auf ihn zu, legt den Zeigefinger um den Hahn und drückt zu. Der Motor beginnt zu surren, und das Geräusch erinnert an eine Zahnarztpraxis. »Ich glaube, wir fangen hiermit an.«
Es bedarf Philip Blakes letzter Kräfte, den Kopf zu heben und ihr in die Augen zu blicken, während der Bohrer sich dreht und langsam in Richtung seiner linken Schulter geführt wird – dort, wo der Arm mit dem Torso verbunden ist. Dort, wo sämtliche Nerven zusammenlaufen.
Achtzehn
I m normalen Alltag einer Kleinstadt würde ein gedämpfter Schrei in den frühen Morgenstunden nicht nur Verdacht, sondern schieren Horror bei allen hervorrufen, die bei offenem Fenster im Bett liegen, um die angenehme Frühlingsbrise einzulassen, oder die hinter der Kasse in rund um die Uhr geöffneten Supermärkten sitzen. Als aber genau drei Minuten nach halb zwei lokaler Zeit ein Geräusch ähnlich einer Totenklage aus dem ersten Stockwerk des Gebäudes des Governors dringt und von den vielen Ziegeln, Beton und Glas – sowie dem Gewebeband über dem Mund des Governors – gedämpft wird, herrscht in Woodbury, Georgia, nicht gerade das, was man als normalen Alltag bezeichnen kann.
Die Männer, die Spätschicht im Norden, Westen und Süden des Verteidigungswalls schieben, sind verwirrt, weil ihr Vorgesetzter schon seit Stunden durch seine Abwesenheit glänzt. Manche haben ihre Posten verlassen. Martinez ist seit Ewigkeiten verschwunden – ein seltsames Vorkommnis, das bei den meisten Wachen tiefe Verunsicherung hervorruft. Bruce und Gabe haben die verlassene Krankenstation entdeckt – weder der Arzt noch Alice sind auffindbar –, und die beiden Männer beraten sich, ob sie den Governor mit der Nachricht um diese Zeit behelligen sollen.
Die merkwürdige Stille, in welche die Stadt gebettet ist, hat auch Bob aus seinem ruhelosen Schlaf gerissen. Er hat sich auf die Beine gemacht und unternimmt einen nächtlichen Spaziergang im Vollrausch, versucht zu ergründen, warum hier eine solche Totenstille herrscht. Vielleicht ist Bob Stookey sogar der einzige Einwohner Woodburys, der in diesem Augenblick die gedämpften Schreie hört. Er schwankt an der Fassade des Gebäudes vorbei, in dem der Governor wohnt, als die schrillen Schreie – verzerrt durch das Gewebeband über dem Mund und die Entfernung, aber doch so unverkennbar wie das Rufen eines Seetauchers – hinter einem der mit Brettern verschlagenen Fenster ertönen. Das Geräusch ist so unheimlich und so unerwartet, dass Bob glaubt, er bilde es sich ein – der Alkohol spielt ab und zu seine Spielchen mit seinem Bewusstsein –, und er setzt seinen taumelnden Spaziergang den Bürgersteig entlang fort, verdrängt die merkwürdigen Geräusche aus seiner Realität.
Aber genau in diesem Augenblick, in besagtem Gebäude am Ende des Flurs im ersten Stockwerk, in dem stickigen Wohnzimmer der größten Wohnung, unter dem schwachen Schein einer Arbeitslampe, die sanft in der Brise schaukelt, sind die Schmerzen, die Philip Blake ertragen muss, sehr real. Schmerz ist etwas Lebendiges, Atmendes – ein Raubtier, das sich mit der Grausamkeit eines wilden Keilers durch ihn nagt –, ein Keiler, der in den Nervensträngen seiner linken Schulter nach Trüffeln wühlt.
Der Akku-Bohrer singt, als das Bit sich immer tiefer in sein Fleisch senkt und Blut und menschliches Gewebe auswirft.
Philips Schreie – das Gewebeband über seinem Mund leistet ganze Arbeit und lässt ihn beinahe wie einen Autoalarm klingen – sind jetzt ein ständiger Begleiter von Michonnes Arbeit. Sie drückt mit voller Kraft auf den Akku-Bohrer, sodass er bis
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