The Walking Dead 3: Roman (German Edition)
von Woodburys berüchtigsten Gangstern, dem Mann, den sie den Metzger nannten.
Lilly und Josh haben viel Zeit miteinander verbracht, sind weit gekommen, haben gelernt, miteinander zu überleben, und träumten von einer besseren Zukunft – einer gemeinsamen Zukunft. Josh Hamilton war ein Gourmet-Chef in einem Top-Restaurant und wohl der einzige Mann, der in der postapokalyptischen Welt niemals ohne seinen italienischen schwarzen Trüffel aus dem Haus gegangen ist. Er hat des Öfteren hauchdünne Splitter abgeschnitten, um normalem Speiseöl, Suppen oder Fleischgerichten den letzten Pfiff zu verleihen. Die nussige, erdige Note, die der Pilz seinen Gerichten verliehen hat, war unbeschreiblich.
Das Ding in Lillys Schoß duftet noch immer herrlich, und sie beugt sich nach vorn und riecht daran, saugt den Geschmack in sich auf. Es ist, als ob Josh zu ihr zurückkommt, als ob sie die ersten Tage in Woodbury wieder erlebt, Erinnerungen an Leben und Tod. Tränen steigen ihr in die Augen. Noch hat sie etwas Traubensaft in ihrem Becher, den sie nun zum Prost anhebt.
»Und jetzt trinken wir auf einen alten Freund«, sagt sie. »Er hat mir öfter das Leben gerettet, als ich an einer Hand abzählen kann.«
Austin neben ihr senkt den Kopf, verspürt die Bedeutung dieses Moments, der Trauer austreiben soll. Er hält den Pappbecher eng an der Brust.
»Ich hoffe immer noch, dass wir uns einmal wiedersehen«, sagt sie und geht zur Feuerkuhle.
Sie wirft den kleinen, schwarzen Pilz in das Loch vor ihr, in dem bereits die ganzen anderen symbolischen Gegenstände liegen.
»Amen«, flüstert Austin und nimmt einen Schluck. Dann gesellt er sich zu Lilly und legt einen Arm um sie, und für einen Augenblick stehen sie beide still in der Dunkelheit und starren auf den Inhalt der Kuhle.
Das Zirpen der Zikaden und der rauschende Wind begleiten ihre unausgesprochenen Gedanken.
»Lilly?«
»Yeah?«
Austin blickt sie an. »Habe ich dir schon gesagt, dass ich dich liebe?«
Sie lächelt, hebt aber nicht den Kopf. »Halt den Mund und fang an zu schaufeln, Schönling.«
Aus der absoluten Leere der Nacht – der Dunkelheit, wie sie nur im Marianengraben existiert – schwebt ein unsinniger Spruch durch die opake Schwärze wie ein geisterhaftes Zeichen, eine Nachricht, die nichts bedeutet, ein Impuls kodierter elektrischer Energie, die über die innere Leinwand des Verwundeten gleich einer Leuchtreklame wandert:
AUF UND HOCH !
Der Verwundete versteht kein Wort. Er kann sich nicht bewegen. Er kann nicht atmen. Er steckt in der Dunkelheit fest, fühlt sich wie ein formloses Klümpchen Kohlenstoff, das durch Zeit und Raum fliegt … und doch … und doch … verspürt er, dass das Dasein dieser Nachricht, die nur für ihn bestimmt ist, überhaupt keinen Sinn macht. Trotzdem klingt sie drängend, gebieterisch:
RAUS AUS DEN FEDERN !
Plötzlich merkt er, wie die physikalischen Gesetze des Universums langsam zurückkehren, als ob er ein Schiff, verloren auf hoher See, wäre, das wieder an Orientierung gewinnt. Durch den Nebel von lähmendem Schmerz verspürt er das von der Schwerkraft verursachte Gewicht – zuerst in seiner Bauchgegend, dann in den Gliedmaßen –, ein Gefühl wie ein Zerren ergreift ihn, zuerst von unten, dann von den Seiten, als ob die Bojen, die ihn in diesem schwarzen Floating-Sarg gefangen halten, sich langsam von ihm entfernen.
Dann glaubt er, sein eigenes Gesicht zu spüren. Es ist voller Blut, verklebt, brennend vor lauter offenen Wunden. Auf seinem Mund scheint ein Gewicht zu liegen, und seine Augen, die noch nichts sehen können, brennen. Aber immerhin beginnt er, ein nebulöses Licht in der Ferne über sich zu erkennen.
Irgendwo in seinem Gehirn scheint die leuchtende Reklamenachricht langsam Sinn zu machen, angespornt durch Geräusche oder nicht zu benennende, telepathische Methoden. Als die Nachricht klarer wird – wie ein grobes Einrasten, etwa, als wenn man das letzte Puzzleteil in ein Bild einfügt –, beginnt seine kaputte Psyche sie zu entziffern.
Der wütende Befehl, der an ihn gerichtet ist, veranlasst einen Alarm in ihm, der seinen Mut zerplatzen lässt und seine Entschlossenheit schwächt. Sämtliche Verteidigungsmechanismen lösen sich in Luft auf. All die Blockaden in seinem Gehirn – all die dicken Mauern, Abteile und Fächer – fallen wie ein Kartenhaus in sich zusammen … bis er nichts mehr ist … nichts als ein kaputtes, menschliches Wesen in tiefster Dunkelheit, entsetzt,
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