The Walking Dead: Roman (German Edition)
warm zu bleiben, und die Obstplantage scheint zumindest in der unmittelbaren Umgebung relativ frei von irgendwelchen Beißern zu sein.
Philip macht den Anschein, als ob es ihm jetzt besser gehen würde, da er seine Schuld offen ausgesprochen hat. Brian behält das Geheimnis für sich. Er denkt oft darüber nach, spricht aber nie wieder davon. Die beiden Brüder kommen mittlerweile besser miteinander aus, und selbst Penny scheint sich in dem neuen Leben, das sie langsam, aber sicher entwickeln, einigermaßen wohl zu fühlen.
Sie findet ein altes Puppenhaus in einem der Zimmer im ersten Stock und richtet sich und ihren kaputten Spielsachen eine Ecke im oberen Flur ein. Als Brian eines Tages die Treppe hochkommt, entdeckt er die kaputten Puppen ordentlich nebeneinander daliegen, ihre fehlenden Gliedmaßen neben ihnen aufgereiht. Er betrachtet eine Zeit lang das kleine Leichenschauhaus, ehe Penny ihn anspricht. »Los, Onkel Brian«, sagt sie. »Du kannst der Arzt sein … Du kannst mir helfen, sie wieder heil zu machen.«
»Gute Idee«, erwidert er nickend. »Die kriegen wir schon wieder hin.«
Ein anderes Mal hört Brian früh am Morgen ein Geräusch aus dem Parterre. Er geht die Treppe hinab zur Küche und sieht Penny, die auf einem Stuhl steht und von oben bis unten mit Mehl bedeckt ist. Sie hantiert mit Töpfen und Pfannen. Etwas, das wie Pfannkuchenteig aussieht, ist in ihr verfilztes Haar geschmiert. Die Küche gleicht einem Katastrophengebiet. Kurz darauf kommen Philip und Nick herunter, und die drei Männer stehen in der Tür und sehen Penny an. »Nicht böse sein«, verkündet sie und wirft ihnen einen Blick über die Schulter zu. »Ich mache alles wieder sauber.«
Die Männer schauen sich gegenseitig an. Seit Wochen muss Philip endlich wieder einmal lachen. »Wer soll dir denn böse sein? Wir sind nicht böse, sondern haben Hunger. Wann gibt es Frühstück?«
Die Tage vergehen, und sie treffen Vorkehrungen. Von jetzt an machen sie nur noch nachts Feuer, da man so den Rauch vom Highway aus nicht sehen kann. Philip und Nick bauen einen Zaun aus Bindedraht, den sie zwischen hölzernen Pfeilern straffziehen. Sie hängen leere Dosen an die Drähte, um sie vor etwaigen Eindringlingen zu warnen – ganz gleich, ob es sich um Beißer oder normale Menschen handelt. Auf dem Dachboden finden sie zudem eine alte Zwölfkaliber-Büchse mit Doppellauf.
Die Flinte ist mit einem feinen Staubfilm überzogen und mit Putten verziert. Sie sieht so aus, als ob sie einem das Gesicht zerfetzen würde, falls man auf die Idee käme, sie zu gebrauchen. Aber es gibt keine Munition. Philip glaubt dennoch, dass sie von Nutzen sein könnte. Schließlich sieht sie bedrohlich genug aus.
»Man kann nie wissen«, sagt er und lehnt die Flinte an den Kaminsims, ehe er es sich auf der Couch gemütlich macht und sich mit mehr Sherry betäubt.
Die Tage vergehen mit formloser Regelmäßigkeit. Mittlerweile sind sie alle ausgeschlafen, erkunden die Obstplantage und ernten die gerade noch essbaren Früchte. Sie stellen sogar Kastenfallen in der Hoffnung auf, das eine oder andere Tier zu fangen. Eines Tages finden sie tatsächlich einen abgemagerten Hasen. Nick meldet sich freiwillig, das Tier zuzubereiten, und zaubert dann geschmorten Hasenbraten auf dem Holzofen.
Währenddessen laufen ihnen nur wenige Beißer über den Weg. Eines Tages ist Nick gerade dabei, eine halb verdorrte Pflaume von einem Baum zu pflücken, als er einen herumwandelnden Untoten in Latzhose im Schatten des benachbarten Hofes sieht. Ruhig klettert er vom Baum runter, schleicht sich an den Beißer heran und rammt ihm eine Heugabel mit aller Wucht in den Hinterkopf, als ob er einen Ballon kaputt machen wollte. Ein anderes Mal macht sich Philip gerade am Traktor zu schaffen, als er einen verstümmelten Leichnam in einem der Wassergräben in der Nähe entdeckt. Mit zerfetzten Beinen, die sie mühsam hinter sich her zieht, scheint sich die Frau kilometerweit bis hierher geschleppt zu haben. Philip nimmt die Sense und trennt ihr kurzerhand den Schädel ab, bevor er die Überreste mit etwas Treibstoff aus dem Traktor verbrennt.
So einfach geht das.
In der Zwischenzeit scheint sich die Villa genauso an sie zu gewöhnen wie sie sich an das altehrwürdige Gebäude. Sie nehmen die Laken von den opulenten Möbeln, und schon wirkt alles wesentlich wohnlicher. Mittlerweile hat jeder sein eigenes Zimmer bezogen, und obwohl sie immer noch von Albträumen verfolgt werden, gibt es
Weitere Kostenlose Bücher