The Walking Dead: Roman (German Edition)
Brian doch nicht unter Verfolgungswahn.
Es dringen weitere Geräusche an seine Ohren – gesenkte Stimmen, zerbrechende Äste –, und er zählt rasch zusammen: Das sind mindestens sechs an der Zahl, vielleicht mehr, und sie haben vier Autos – wenn das reicht. Außerdem scheint jeder eine Waffe und genügend Munition zu haben. Jede Menge Magazine und Schnelllader hängen an ihren Gürteln. Was ihnen jedoch anscheinend fehlt, ist Intelligenz. Vielleicht ist das Philips Chance. Selbst in den Augen des großen Glatzkopfs – allem Anschein nach der Anführer – scheint das Wort »Dumpfkiffer« geschrieben zu sein. Diese Kerle kennen keine Gnade, jeder Vorschlag guter Nachbarschaft wird auf taube Ohren stoßen. Philip sieht nur eine Chance.
»Kann ich noch was sagen?«, fragt er. »Ehe ihr euch falsche Hoffnungen macht.«
Der Glatzkopf hebt den Wasserkrug, als ob er einen Toast aussprechen wollte. »Klar, Kumpel.«
»Die Sache kann so oder so ausgehen.«
Das scheint die Aufmerksamkeit des Glatzkopfs zu wecken. Er stellt den Krug ab und wendet sich Philip zu. »So oder so?«
»Ja. Die erste Möglichkeit ist, dass wir mit dem Ballern anfangen, und ich kann dir jetzt schon sagen, wie das ausgehen wird.«
»Mach es nicht so spannend.«
»Deine Leute werden uns überwältigen, und das war es. Aber eines kann ich dir versprechen – und so sicher bin ich mir in meinem ganzen Leben noch nicht gewesen.«
»Und was wäre das?«
»Ganz gleich was passiert – ich weiß, dass ich einen Schuss abfeuern werde, und das soll jetzt keine Geringschätzung dir gegenüber sein, aber ich kann mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, dass sich der Großteil dieser Stahlkügelchen in die obere Hälfte deines Körpers bohren wird. Willst du jetzt die zweite Möglichkeit hören?«
Der Glatzkopf hat anscheinend seinen Humor verloren. »Raus damit.«
»Die zweite Möglichkeit lautet folgendermaßen: Ihr lasst uns hier heil raus, und wir lassen euch die Villa. Das erspart das blöde Aufräumen nach der Schießerei, und du darfst deinen Oberkörper und deinen Kopf behalten.«
Eine Zeit lang scheint alles gut zu gehen. Der Glatzkopf gibt die Befehle. Das Junkie-Paar – Philip hat sie mittlerweile Sonny und Cher getauft – lässt von Brian und Penny ab, sodass Brian das Mädchen durchs Wohnzimmer zur Eingangstür tragen kann.
Die Abmachung, wenn man sie überhaupt so nennen kann, lautet folgendermaßen: Philip und seine Leute können verschwinden, lassen aber alles zurück. Brian sieht zu, wie Philip rückwärts durch das Wohnzimmer auf ihn zukommt, die Flinte noch gezückt. Zum Glück haben sie dieses funktionslose Dekostück! Nick folgt ihm. Die beiden treten neben Brian und Penny, und Brian öffnet langsam die Tür.
Sie drängen sich einer nach dem anderen hinaus. Philip richtet die Waffe weiterhin auf die Eindringlinge.
Brians Gehirn verarbeitet alle Eindrücke auf einmal: den kalten Wind, das blasse Morgenlicht, das langsam über die Obstplantage kriecht, die Silhouetten von zwei weiteren Schützen zu ihrer Linken und Rechten sowie die Autos mit den Scheinwerfern, die wie Theaterstrahler die nächste Szene dieses albtraumhaften Stücks erhellen.
Von drinnen ertönt die Stimme des Glatzkopfs: »Jungs! Lasst sie durch!«
Jeder der Schützen, in heruntergekommene Tarnanzüge gekleidet und mit schwerer Artillerie bewaffnet, hält eine Flinte mit abgesägtem Lauf in der Hand. Sie beäugen Brian mit der mörderischen Gier eines Raubvogels, als er Penny vorsichtig auf seinen Rücken hebt. Philip flüstert ihnen so leise zu, sodass sie es gerade noch hören können: »Bleibt in meiner Nähe und folgt mir. Die wollen uns immer noch etwas antun. Macht genau das, was ich euch sage.«
Brian folgt Philip, der mit nacktem Oberkörper und erhobener Waffe über den Vorplatz an einem der wachsamen Aufpasser vorbei auf den benachbarten Pfirsichbaumhain zuläuft.
Es scheint eine halbe Ewigkeit zu dauern, als Philip die anderen über das Anwesen und in die Schatten der nächsten Plantage führt. Tatsächlich sind nur wenige Minuten vergangen, aber Brian Blake ist mindestens um fünf Jahre gealtert. Er weiß, dass es mit der geregelten Übergabe der Villa vorbei ist.
Hinter ihm ertönen beunruhigende Geräusche, während er Penny so schnell wie möglich in die Sicherheit der Bäume trägt. Er ist barfuß, und der steinige Boden zieht die Sohlen seiner Füße ganz schön in Mitleidenschaft. Wütende Stimmen ertönen aus der Villa,
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