The Walking Dead: Roman (German Edition)
fährt er fort: »Was ist dein Problem? Gefällt dir etwa die Freizeitgestaltung nicht?«
Kaum hörbar erwidert der Schwarze: »Ohne mich.«
Er steht auf und dreht sich zum Ausgang, als der Major plötzlich seine Waffe zieht.
Mit einem beinahe unwillkürlichen Instinkt greift der schwarze Mann mit seiner großen, schwieligen Hand nach dem Revolver in seinem Gürtel. Aber ehe er ziehen kann, hat Gavin die Waffe schon auf ihn gerichtet. »Ach, tu mir doch den Gefallen, Detroit«, knurrt der Major und richtet den Lauf gegen dessen Kopf. »Ich wollte schon immer deinen krausen Schädel in tausend Stücke blasen.«
Die Soldaten reihen sich hinter ihrem Major auf und heben ihre Sturmgewehre. Alle starren sie den schwarzen Mechaniker an.
Mit der Hand am Griff seiner Waffe, den Blick starr auf Gavin gerichtet, murmelt er: »Es ist schon schlimm genug, dass wir die Toten da draußen bekämpfen müssen … Und jetzt kommst du und willst uns auch noch herumschubsen.«
»Setz. Dich. Hin. Sofort.« Gavin drückt den Lauf jetzt fester gegen den Schädel des Mechanikers. »Oder ich werde dich hinrichten. Hier und jetzt.«
Detroit seufzt genervt und nimmt wieder Platz.
Da wendet sich der Major an die restlichen Bewohner. »Das Gleiche gilt für euch! Glaubt ihr, dass ich hier auf Kur bin? Dass ich das aus Jux und Dollerei mache? Das ist hier keine Demokratie, Leute, es geht um Leben und Tod!« Er beginnt wieder, vor den Leuten auf und ab zu marschieren. »Wenn ihr nicht als Hundefutter enden wollt, müsst ihr mir gehorchen. Lasst die Profis ran!«
Die Stille legt sich über den Versammlungsraum wie Giftgas. Ganz hinten spürt Brian, wie sich die Haare in seinem Nacken aufrichten. Sein Herz pocht so heftig in seiner Brust, dass es droht, ein Loch in sein Brustbein zu schlagen. Er bekommt kaum noch Luft. Er will diesem Möchtegernsoldaten den Hals umdrehen, aber sein Körper verkrampft sich, und Brian weiß nicht, ob er flüchten oder sich dem Ganzen stellen soll. Durch seinen Kopf schwirren Fragmente von Erinnerungen, Szenen und Geräuschen eines angstbestimmten Lebens. Schon auf dem Spielplatz der Burke-County-Grundschule musste er kleinen Tyrannen aus dem Weg gehen und schlich immer um den Parkplatz des Supermarkts, um nicht den Schlägern in die Finger zu geraten. Er rannte vor einer Gang beim Kid-Rock-Konzert davon und hoffte stets auf Philips Hilfe … Wo zum Teufel ist Philip, wenn man ihn braucht?
Ein Geräusch aus der Richtung des Rednerpults rüttelt Brian auf.
Der Mann namens Detroit steht auf. Er hat die Nase gestrichen voll. Sein Stuhl knarzt, als er sich zu seiner vollen Größe aufrichtet – weit über einen Meter achtzig –, sich umdreht und davongeht.
»Wo zum Teufel willst du hin ?« Gavin schaut zu, wie sich der Schwarze auf den Ausgang zu bewegt. » HE ! ICH REDE MIT DIR , DETROIT ! WOHIN , GLAUBST DU , BEWEGST DU DEINEN ARSCH ?«
Detroit dreht sich nicht einmal um, sondern winkt nur genervt ab und murmelt: »Ich hau ab … Wünsch euch viel Glück … Und das werdet ihr brauchen, wenn die Idioten hier das Sagen haben.«
» PFLANZ DEINEN SCHWARZEN NIGGERARSCH SOFORT WIEDER AUF EINEN STUHL , ODER ICH MACHE DICH AUF DER STELLE KALT !«
Detroit achtet nicht auf ihn.
Gavin zieht seinen Revolver.
Detroit geht weiter.
Die gesamte Versammlung holt tief Luft, als Gavin die Waffe hebt und auf den Hinterkopf von Detroit zielt.
Der Schuss saugt die Luft aus dem Raum. Er ist so laut, dass die Wände wackeln. Eine Frau schreit auf. Die Kugel gräbt sich in den Hinterkopf des Schwarzen. Detroit wird nach vorne geschleudert und landet auf dem Verkaufsautomaten. Brian, der direkt daneben steht, zuckt zusammen. Der Mechaniker prallt auf den kalten Stahl, wird zurückgeworfen und sackt dann zu Boden. Das Coca-Cola-Logo ist mit seinem Blut beschmiert. Rote Spritzer kleben an der Wand darüber und an der Decke.
Noch ehe die vielen Schreie verklingen und das Echo des Schusses verhallt, passieren mehrere Dinge auf einmal. Beinahe gleichzeitig springen drei Gemeindemitglieder auf – zwei Männer mittleren Alters sowie eine Frau um die dreißig – und rennen zum Ausgang. Brian sieht ihnen wie in einem Traum hinterher. Es rauscht noch immer in seinen Ohren, und seine Augen sind geblendet. Er nimmt kaum die absonderlich ruhige Stimme des Majors wahr, die jegliche Reue vermissen lässt und in der keinerlei Gefühl mitschwingt, als sie den zwei Gardisten Barker und Manning befiehlt, die Fliehenden zu schnappen.
Weitere Kostenlose Bücher