The Walking Dead: Roman (German Edition)
ein verschossenes hawaiianisches Blumenkleid, um ihre Wülste zu verhüllen. Ihr Dekolleté quillt wie Brotteig aus dem Stoff, und auf dem Ansatz einer Brust hat sie ein Tattoo von Woody Woodpecker. Sie besitzt die gleichen auffallenden Augen wie ihre jüngere Schwester, hat diese aber stark mit Kajalstift und einem stahlblauen Lidschatten geschminkt. Ihre langen künstlichen Fingernägel machen den Eindruck, als ob sie auch Dosen öffnen könnten.
Philip betritt als Erster die Wohnung. In der Hand hält er noch immer die Ruger.
Die anderen folgen ihm.
Er bemerkt kaum das unordentliche Wohnzimmer mit den Kleidern, die über Stuhllehnen geworfen wurden, den ramponierten Taschen an einer Wand und den merkwürdig geformten Instrumentenkoffern, die an einer Schiebetür lehnen. Auch die kleine Kochnische mit den Kisten voller Dosen und Proviant und dem schmutzigen Geschirr in der Spüle zu seiner Linken nimmt er fast nicht wahr. Selbst den Geruch nach abgestandenem Zigarettenrauch, muffigen Klamotten und altem Schweiß registriert er nur schwach.
Das Einzige, worauf er sich in diesem Augenblick konzentrieren kann, ist der Lauf eines Zwölf-Kaliber-Gewehrs, der direkt auf ihn gerichtet ist.
»Keinen Schritt weiter«, sagt der alte Mann, der das Gewehr in Händen hält und auf dem Schaukelstuhl an der gegenüberliegenden Wand sitzt. Er ist ein schlaksiger alter Kauz mit der gleichen Farmerbräune wie seine Töchter und einem Gesicht, das wie aus Holz geschnitzt aussieht. Dazu kommen seine stahlgrauen Haare im kurzen Bürstenschnitt und klare blaue Augen. Der dünne Schlauch einer Sauerstoffanlage verläuft unter seiner Nase, und das dazugehörige Gerät steht direkt neben ihm wie ein nicht von seiner Seite weichendes Haustier. Er passt kaum in die engen Jeans und das Flanellhemd, seine weißen, haarigen Knöchel lugen zwischen Schuhen und Hosenbein hervor.
Instinktiv hebt Philip seine Achtunddreißiger und schaltet auf Kampfmodus. Er zielt auf den alten Mann und sagt: »Sir, da draußen gibt es schon genug Probleme. Wollen wir uns wirklich hier drinnen noch mehr schaffen?«
Niemand rührt sich.
April schiebt Philip beiseite und stellt sich zwischen die beiden Männer. »Jetzt habe ich genug, Dad. Runter mit der Flinte.«
Der alte Mann gibt seiner Tochter mit dem Lauf seines Gewehres zu verstehen, dass sie beiseitetreten soll. »Sei still, kleine Göre.«
April aber weicht keinen Millimeter zurück. Sie stemmt die Hände in die Hüften und blickt ihren Vater wütend an.
Auf einmal sagt Tara: »Könnt ihr nicht alle eine Stufe runterfahren? Bitte!«
»Wo kommt ihr überhaupt her?«, fragt der alte Mann, das Gewehr immer noch schussbereit auf Philip gerichtet.
»Aus Waynesboro, Georgia.«
»Noch nie gehört.«
»In Burke County.«
»Das ist ja beinahe schon South Carolina.«
»Yes, Sir.«
»Seid ihr auf Drogen? Speed? Crack? … Sonst irgendwas?«
»Nein, Sir. Wie zum Teufel kommen Sie auf solche Schnapsideen?«
»Deine Augen, Junge. Die sehen so auf, als ob Speed durch deine Adern pumpen würde.«
»Ich nehme keine Drogen.«
»Und wie seid ihr auf die Idee verfallen, hierher nach Atlanta zu kommen?«
»Wir haben erfahren, dass es in Atlanta ein Flüchtlingslager geben soll. Sieht aber nicht danach aus.«
»Da hast du recht«, meint der alte Mann.
April mischt sich ein. »Hört sich so an, als ob wir etwas gemeinsam hätten.«
Philip starrt weiterhin auf den alten Mann, spricht aber mit der Frau, als er sagt: »Und wieso?«
»Wir sind aus dem gleichen Grund in dieser gottverlassenen Wohnung gelandet«, erwidert sie. »Wir haben auch nach diesem Flüchtlingslager gesucht, von dem alle geredet haben.«
Philip starrt auf den Lauf des Gewehrs. »Tja, selbst die besten Pläne …«
»Genauso sieht es aus«, stimmt der alte Mann zu. Philip kann jetzt das leise Zischen des Sauerstoffs hören. »Ich nehme an, ihr habt nicht die leiseste Ahnung, was ihr uns gerade angetan habt?«
»Ich höre.«
»Ihr habt die Beißer aufgewühlt. Bei Sonnenuntergang wird es da draußen eine gottverdammte Tagung geben – direkt vor unserer Tür.«
Philip zieht die Nase hoch. »Das tut mir leid. Aber wir hatten keine Alternative.«
Der alte Mann stöhnt. »Da wirst du wohl recht haben.«
»Ihre Tochter hat uns von der Straße geholt … Wir haben keine bösen Absichten … Außer, dass wir nicht gebissen werden wollen.«
»Tja, das ist verständlich.«
Es folgt eine lange Pause. Alle warten. Die beiden Waffen
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