Themiskyra – Das Versprechen (Band 2) (German Edition)
reiten, ich habe gar nicht in meiner Satteltasche nachgesehen.“
„Dann ist es wohl ein ziemliches Glück, dass wir trotz aller Widrigkeiten dennoch aufeinander getroffen sind.“ Er strich mir mit den Fingern über den Hals und mir lief ein Schauder über den Rücken.
„Ein unendliches Glück“, seufzte ich und rieb meinen Kopf an seiner Schulter wie eine Katze. Die Nervosität war verschwunden, übrig blieb das Gefühl, dass ich genau da war, wo ich sein sollte. Das Gefühl von Geborgenheit, dass ich schon hatte erahnen können, als ich mich in Kalas kleinem Garten an ihn gekuschelt hatte.
Da fiel mir etwas ein.
„Mein Pfeil“, sagte ich leise. Den ich in meiner Anfangszeit beim Bogensporttraining im Wald verschossen hatte. Auf der Suche nach dem wertvollen Stück Handarbeit war ich auf Louis gestoßen, der in der Nähe mit seinen Kollegen Holz gehackt und mich mit völliger Verachtung gestraft hatte. Komisch, dass das der Typ war, der mich nun im Arm hielt. Völlig undenkbar, wenn man es genau nahm. Ich versuchte, mich zu sammeln. „Das ist mein Pfeil, den du auf deinem Nachttisch hast.“
„Ich weiß.“
„Wann hast du ihn gefunden? Und wo?“
„Noch am selben Tag. Er steckte einfach in einem Baum ganz in der Nähe.“
Es schien mir unglaublich, dass er schon einen Andenkenpfeil gehabt hatte, als ich noch nicht annähernd gerafft hatte, wo der Hase im Pfeffer lag, und noch versucht hatte, mich durch Antischocktherapie von meiner unerkannten Verliebtheit zu heilen.
Ich streichelte über seine Wange und stellte fest – reichlich spät, aber meine Sinne waren immer noch ziemlich überfordert: „Du hast dich rasiert.“
„Ich konnte letzte Nacht nicht schlafen, da habe ich die Zeit genutzt. Außerdem ist es so besser. Unauffälliger.“ Er strich mit einem Finger vorsichtig über meine Lippen. „Du kannst deinen Mädels wohl kaum jeden Tag aufs Neue erzählen, dass du kopfüber in einen Stachelbeerstrauch gefallen bist.“
„Stimmt. Lass mich nochmal testen, ob das so auch wirklich keine Spuren hinterlässt …“
Unser Kuss wurde erst unterbrochen, als Louis' Magen so nachdrücklich knurrte, dass ich ein richtiggehend schlechtes Gewissen bekam. Nicht nur, weil ich ihn vom Abendessen abhielt, auch, weil er so lange hatte arbeiten müssen, dass er keine Gelegenheit gehabt hatte, wie ich vor unserem Treffen etwas zu sich zu nehmen.
„Du musst was essen“, sagte ich vorwurfsvoll und nahm seine Hand in die meine.
„Ich habe keinen Hunger.“
„Sehr überzeugend.“ Obwohl es mich natürlich ehrte, dass ich einen höheren Stellenwert einnahm als eine warme Mahlzeit. „Wenn du wegen mir immer das Abendessen ausfallen lässt, werde ich in Zukunft wohl gezwungen sein, dir etwas von meinem abzuzwacken und mitzubringen. Das wird auf Dauer auffallen …“
Ich hörte ihn scharf einatmen und spürte, wie sich der Druck auf meine Hand fast schmerzhaft verstärkte. „Lass das.“
„Was?“, fragte ich verwirrt.
„Mach keine Witze darüber. Darüber, dass irgendwas auffallen wird. Es darf nichts auffallen. Versprich mir, dass du vorsichtig bist.“ Er klang fast so wie der alte Louis. Der auf der Apfelplantage. Der, der nichts mit mir zu tun haben wollte.
„Okay … Natürlich“, versprach ich schnell, ein bisschen erschrocken über seine Reaktion.
„Und Polly hält auch dicht?“
„Ja. Hundertprozentig.“
Seine Stimme war wieder sanfter, als er sagte: „Ich würde es mir nie verzeihen, wenn du wegen mir … Ärger bekämst.“ Ärger wäre wohl das Geringste, womit ich zu rechnen hätte. Aber jetzt darüber nachzudenken, schien mir eine wenig angenehme Abendgestaltung zu sein.
„Ich verspreche, dass ich mich komplett unauffällig verhalte und dir nie wieder heimlich etwas zu essen mitbringe.“ Ich küsste seine Hand, wollte das Thema abschließen.
„Wieder?“ Ich spürte, dass sich seine Haltung versteifte.
„Ähm …“ Verdammt. Ich biss mir auf die Unterlippe. Wann würde ich es endlich lernen nachzudenken, bevor ich etwas laut sagte? Fieberhaft suchte ich nach einer Ausflucht, einer Erklärung, nach irgendetwas, was diesen Abend nach meinem unbedachten Ausspruch noch retten würde. Ich wusste, dass es seinen Stolz verletzen würde, wenn er die Wahrheit über die wundersamen Pausenbrote erfahren würde, die ich ihm jeden Tag zur Plantage mitgebracht hatte, das war mir schon damals klar gewesen. Nur dass es jetzt noch schlimmer wäre, dass ich ihn angelogen
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